Die Begriffe „Projektmanager“ und „Projektleiter“ sind keine geschützten Berufsbezeichnungen. Projektmanagement gilt aber heute als Erfolgsfaktor. Daher werden dazu unzählige Kurse angeboten. Der Bildungsmarkt ist unüberschaubar, die Qualität der angebotenen Seminare ist oft nicht nachprüfbar.
Projektmanagement ist im wirklichen Leben oft kein einfaches Geschäft, Erfahrung allein reicht nicht. Es gibt viele Aspekte und eigentlich bedarf es dazu einer soliden Ausbildung.
Zertifikate signalisieren eine fachliche Kompetenz. Sie stellen Standards her. Daher sind Zertifikate attraktiv.
Es gibt ganz unterschiedliche Gründe, warum Menschen Projektmanagementseminare besuchen oder Unternehmen sich entscheiden, solche Zertifizierungen zu fördern und zu fordern.
Gründe für Unternehmen:
- Gemeinsamer Wortschatz in Projekten
- Einheitliches Verständnis vermindert Einarbeitung und Reibungen
- Wettbewerbsvorteile
- Anforderung in Ausschreibungen
- Vergleichbare Qualitätsstandards für Projektpersonal
- Systematische betriebliche Personalentwicklung im Projektmanagement
- Effizienzsteigerung und Produktivitätsverbesserung
- Imagegewinn aufgrund kompetenter Projektleiter und Projektmitarbeiter
Gründe für Projektleiter (Zertifikatsinhaber)
- Steigern ihren Marktwert
- Beschleunigen ihre Karriere
- Lassen sich ihre Qualifikation neutral bestätigen
- Führen eines anerkannten Titels
- Sicherung des Arbeitsplatzes
- Im Fall von weniger bekannten Verfahren: Gegenpol zu Unsicherheiten und Vorbehalte der Auftraggeber oder Projektbeteiligten
- Höhere fachliche Sicherheit durch neue Anregungen und Verfestigung von Techniken und Tipps
- Horizonterweiterung
- Werkzeuge
Zusätzliche Gründe für freiberufliche Projektmanager:
- Akquise-Argument
- Höhere Honorarforderungen möglich
- Fördert Selbsteinschätzung und Selbstvertrauen (da Beurteilungen meist entfallen)
Gründe für Projektauftraggeber / Kunden
- Anwendung von Best Practices im Projektmanagement
- Bessere Projektprozesse und -Ergebnisse
Es gibt auch einige gepflegte Vorbehalte gegenüber Zertifizierungen:
- „Dienen nur dem Veranstalter“
- Realitätsnähe von Prüfungen?
- Wird Wissen abgefragt oder die Anwendung von Wissen?
- Aktiv verfügbares Wissen oder passives Wissen ausreichend?
- Sind Standards überhaupt universell anwendbar?
Die Auswahl für ein bestimmtes Zertifikat sollte möglichst am konkreten Nutzen orientiert sein. Auswahlkriterien für ein bestimmtes Projektmanagement-Zertifikat:
- Projektumfeld
- Kundenanforderungen
- Benötigtes Maß an Internationalität
- Mitarbeiterqualifikation
- Qualitätssiegel gegenüber Dritten
International (Oder wohl besser: In der westlichen Hemisphäre) gibt es drei wesentliche Anbieter von Projektmanagement-Zertifizierungen.
Überblick über Zertifizierungen im Projektmanagement
PMI (Project Management Institute)
- Grades: CAPM, PMP, PgMP
- Ca. 300.000 PMI-Zertifikate in 170 Ländern
- Drei Viertel der Zertifikate in USA
- In Deutschland: ca. 5.500 PMI-PMPs
IPMA (International Project Management Association)
mit dem deutschen Ableger GPM (Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement)
- Grades: PMF (Stufe D), CPL (Stufe C), CPM (Stufe B), CPD (Stufe A)
- Ca. 100.000 IPMA-Zertifikate weltweit
- In Deutschland: ca. 14.000 IPMA-Zertifikate
APMgroup (Association in Project Management, UK-Ursprung)
- Prince 2 (Projects in Controlled Environments)
- Grades: Foundation (Grundlagen), Practitioner (Praktiker)
- Ca. 200.000 Practitioner-Zertifikate
- In Deutschland: …?
Prince2 sieht sich mit über 750.000 Zertifizierungen insgesamt weltweit als führender Standard.
Wenn man grundsätzlich die künstliche realitätsfremde Prüfungssituation kritisiert unter der Projektmanagement-Zertifikate erworben werden (Online-Multiple-Choice-Tests, Rollenspiele in Zertifizierungsgruppen), so gibt es bei PMI eine interessante Besonderheit: Hier ist zusätzlich der erforderliche Praxisnachweis einer Referenzperson (PMP) bzw. ein Multi-Rating-Assessment (PgMP) erforderlich.
Um die Vorherrschaft und Bedeutung am Zertifizierungsmarkt wird erbittert gekämpft. Die drei oben genannten „klassischen“ Anbieter grenzen weitere durchaus bekannte Anbieter mit dem Hinweis aus, es handele sich bei ihnen nur um Vorgehensweisen.
Es existieren also weitere bekannte „Vorgehensmodell“-Standards, die wenigstens z.T. auch Aspekte des Projektmanagements enthalten:
- V-Modell XT
- Hermes (Schweiz)
- Spice (Iso/IEC 15504)
- CMMI
- Scrum
- iSQI
- Projektmanager VDI
- ITIL
- SixSigma
Unter dem Namen ISO 21500 wird aktuell sogar ein internationaler Standard entwickelt.
Spannend kann die Kombination eines PM-Zertifikats mit einem Vorgehensmodell sein.
In der Softwareentwicklung haben in den letzten 10 Jahren die sogenannten agilen Methoden eine hohe Bedeutung erlangt. Die Firma CSC ermittelte in einer Studie, dass agile Methoden in 75% aller Projekte im IT-Bereich eingesetzt werden (allerdings nur in 16% der Fälle in Reinform); mit rein klassischen Methoden arbeiten nur noch 22% aller Projekte.
Agile Methoden sind oft eher Produktmanagement als Projektmanagement. Eine Zielformulierung von Scrum lautet dann auch „Manage the delivery of features not the use of time and resources”
Agilität heißt Beweglichkeit und Beweglichkeit setzt Freiräume und Freiheiten voraus, das heißt Abweichungen von Standards. Ein allgemein anerkanntes und wertvolles Zertifikat in diesem Segment existiert laut Einschätzung etlicher Autoren (aus dem GPM-Lager) aber nicht.
Übersicht agiler Verfahren:
- Scrum
- eXtreme Programming (XP)
- Feature Driven Development (FDD)
- Agiles Projektmanagement (APM, Anbieter: Oose)
- Kanban
- XP
- Lean
Von den vorstehenden agilen Methoden ist Scrum aktuell die angesagteste. Die Meinungen über Scrum gehen auseinander. Einige sagen: „Scrum: Cool, aber nicht mehr.“
Scrum hat eine ganz eigene Terminologie, leider geringe Voraussetzungen und Anforderungen. Daher gilt der Wert des Zertifikats als eingeschränkt. So sei das Zertifikat „Scrum-Master“ in keiner Weise mit PMI oder IPMA vergleichbar. Es ist dann auch sicher nicht hilfreich, wenn ein deutscher Scrum-Master damit zitiert wird, dass das CSM-Zertifikat „nur ein Marketing-Gag seines Erfinders Ken Schwaber“ gewesen sei.
Von der Organisation PMI gibt es eine Weiterentwicklung des klassischen Baukastens in Richtung agiler Methoden. Mit der PMI-ACP Certification wird eine neutrale übergreifende Zertifizierung von Wissen und Erfahrung angeboten, die nicht auf eine einzige agile Methode beschränkt ist (ACP: agile certified project manager)
Es wird empfohlen, neben einer den Anforderungen genügenden Projektmanagement-Zertifizierung zusätzlich spezifische agile Methoden zu erlernen, um eine Bandbreite an Möglichkeiten kennenzulernen, so dass man selbst später eine individuelle –alle Regeln der Kunst berücksichtigende - Einschätzung der situativ am besten geeigneten Vorgehensweise vornehmen kann.
Zu guter Letzt zeigt die Praxis häufig, dass außer Projektmanagement-Kompetenz auch Fachwissen und –erfahrung unerlässlich sind, wenn man ein Projekt erfolgreich zum Ziel führen will. Daher sollten Projektmanagement-Kompetenzen und -Zertifikate nicht als ausreichende Basis verstanden werden sondern als Zusatzqualifikation erworben werden.
Zertifikate sind formale Nachweise einer zu einem bestimmten Zeitpunkt bestandenen Prüfung. Nicht mehr und nicht weniger. Das Problem entsteht sozusagen im Auge des Betrachters, wenn er sich von Zertifikaten wie von Titeln blenden lässt. Meist herrscht ein natürlicher „Wissenverdacht“. Der Erfolg eines Projektmanagers muss sich immer im wirklichen Leben beweisen.
Was ist Ihr bester Tipp für angehende Projektmanager?
http://www.facebook.com/DieTrueffelschweine
Quellen:
www.gmp-ipma.de
www.pmi-muc.de
www.prince2plus.com
www.scrum.org
www.wikipedia.de
www.muellerschoen-focus.de
www.Frick-und-Partner.de
www.cscakademie.com