Wissen was wird

Welche Führungspersönlichkeiten werden zukünftig erfolgreich sein?

Über dieses Thema diskutierten Dr. Terhalle & Nagel in zwei Workshops mit C-Level-Entscheidern. Das Ergebnis gibt einen sehr guten Überblick über aktuelle Herausforderungen. Noch besser: Am Ende wird ziemlich deutlich, was Top-Entscheider heute und für die unmittelbare Zukunft von Führungskräften erwarten.

Welche Themen verändern gerade maßgeblich den Rahmen, so dass Führungskräfte heute anders agieren müssen, um erfolgreich zu sein? In einem kurzen Vorab-Impuls wurden die vom Zukunftsinstitut als bedeutend erkannten Faktoren vorgestellt.

Wissen was wird - Welche Führungspersönlichkeiten werden zukünftig erfolgreich sein?

Allgemein konstatierten die Teilnehmer die parallel auf der Zeitskala liegende hohe Komplexität von Märkten, Technologien und Organisationsveränderungen. Eine wesentliche aktuelle Herausforderung besteht in den Auswirkungen von Home Office für die Identifikation mit dem Unternehmen.

Um die Zusammenhänge zu verstehen, arbeiteten wir uns von den äußeren Faktoren (Herausforderungen) über die an Bedeutung gewinnenden Managementfähigkeiten zu den Persönlichkeitsmerkmalen heran, die zukünftig für den Erfolg besonders hilfreich und vielleicht sogar notwendig sind.

Management Zusammenfassung

Von den Teilnehmenden wurden die folgenden Randbedingungen als wesentliche Treiber für Führungspersönlichkeiten angesehen: Next Generation, Demographischer Wandel / Fachkräftemangel, Globalisierung, Agilität, Home Office / Hybride Arbeitsmodelle und die zunehmende Forderung nach Political Correctness.

Die Teilnehmenden – Geschäftsführer/innen mittlerer und großer Unternehmen – sind sich einig, dass Moderation, Kommunikation, Potentialentwicklung, Integrationsfähigkeit und Verständnis für Digitalisierung aktuell und in Zukunft wesentliche Kompetenzen für Führungskräfte sind. Nützliche Persönlichkeitsmerkmale dafür sind Veränderungsbereitschaft, Empathie, Toleranz, Authentizität, Mut, und Klarheit. In der abschließenden Plenumsdiskussion wurde die Frage laut, wie viele der Führungskräfte von heute auch morgen wohl bestehen?

(Lesezeit 14 Min)

Veränderungen und wie man damit umgehen kann 

Bei der nachfolgenden Zusammenstellung handelt es sich um verdichtete Ergebnisse einer differenzierten Diskussion. Die Welt ist nicht schwarz oder weiß. Polarisierungen sind manchmal gut, um Reflektion durch Reibung zu erzeugen. Stereotypische Darstellungen oder Vereinfachungen sind dem gebotenen überschaubaren Textumfang geschuldet.  

Herausforderung 1: Next Generation

Die nachwachsende Generation definiert sich nicht mehr nur über Arbeit. Aus einem veränderten Rollenverständnis für Berufsleben und Freizeit resultieren eine veränderte Erwartungshaltung und Leistungsbereitschaft. Gleichwohl werden viele der jungen Leute als sehr talentiert und gut ausgebildet wahrgenommen.

Während diese Next Generation in dem Gefühl von Ohnmacht gegenüber ökologischen Herausforderungen und der Selbsterfahrung von „Friday for Future“ steht, hat sie aufgrund von Fachkräftemangel eine sehr gute Perspektive auf dem Arbeitsmarkt. Beides führt dazu, dass sie viel deutlicher und kompromissloser den Anspruch nach Sinn und Vision formuliert. Oft wird erlebt, dass Gehaltsforderungen entstehen, bevor entsprechende Leistungen erbracht werden. Größmögliche Toleranz und ein starkes (Selbst)Wertgefühl verändern auch die Erwartungen in Bezug auf Kommunikation.

Aufgrund der vorgenannten Effekte müssen Unternehmen mit kürzeren Verweildauern rechnen. Daraus resultiert der Wunsch, Produktivität oder zumindest Funktionsfähigkeit durch Prozesse abzusichern, um u.a. Ersetzbarkeit zu fördern. Dabei wird durchaus der Nachteil gesehen, dass Prozesse oft einen negativen Effekt auf Flexibilität haben. 

Herausforderung #2: Demographischer Wandel, Fachkräftemangel

Der Zusammenhang von Demographischem Wandel und Fachkräftemangel ist längst bekannt, wenn er oftmals auch nicht hinreichend ernst genommen zu werden scheint. Entscheidend ist, die Next Generation nicht isoliert zu betrachten. Jede Generation hat eine eigene Sozialisierung und damit ihre Besonderheiten. Man denke an die Generationsunterschiede X, Y, Z und die so genannten Silver Surfer. Es existieren immer schon ganz unterschiedliche Lebensweisen und Werte nebeneinander. 

Um den Bedarf an Ressourcen zu decken, müssen Führungskräfte den Menschen in den Mittelpunkt stellen und die passenden Aufgaben für verschiedenste Menschen finden. Die Einbindung älterer Arbeitnehmer („Silver Surfer“) und die Erweiterung von Arbeitszeitmodellen (Teilzeit und Sabbaticals für alle) helfen im Kampf um Talente. Um hier glaubwürdig zu sein, sollten Erwartungen (Ökologie, Familie) ernstgenommen werden. Gegensätze sind aufzulösen. Die Führungskraft von morgen muss integrieren. Aufgrund mangelnder Vorerfahrung ist man oft nicht mehr Macher sondern Suchender. Wer schon denkt, er wisse alles, hat möglicherweise eine zu geringe Lernbereitschaft.

Herausforderung #3: Globalisierung

Der internationale Wettbewerb führt zu schnellen Veränderungen der Märkte. Dies erfordert hohe Innovationskraft und Geschwindigkeit. Diesen Aspekt behandelt der folgende Absatz „Agilität“.

Durch das Auseinanderfallen in eine US- und CN-dominierte Weltwirtschaft verändern sich tradierte Wertschöpfungsketten. Die Impulse für technologischen Wandel kommen heute oftmals nicht mehr aus der Zentrale. Das kratzt am Selbstbewusstsein gewohnt starker deutscher Zentralen und ihrer dort verorteten Führungskräfte. 

Change-Beobachter fordern daher, dass Strategie und Leitbild zusammenpassen müssen.

Herausforderung #4: Agilität

Wer Geschwindigkeit erhöhen will, muss Eigenständigkeit fördern. Dazu eignen sich agile Methoden. Mitarbeitende fordern das auch ein. Werden die Möglichkeiten überschätzt? Überschätzen sich die Mitarbeiter? Richtig ist es wohl, Freiheiten in Verbindung mit Verantwortung zu geben, Mut durch gute Feedback- und Fehlerkultur zu fördern. Wenn am Ende eine oder einer entscheidet, muss dies transparent und nachvollziehbar erfolgen. 

Menschen wollen sinnvolle Aufgaben haben. Und sie wollen selbstbestimmter arbeiten und weniger kontrolliert werden. Führungskräfte brauchen selbst Vertrauen und müssen Vertrauen schenken. Potentialtragende wollen mit sinnvollen Aufgaben gefordert werden. Es gibt "Typen" (die für etwas einstehen und eigene Wege gehen) und Prozesse nebeneinander. Das macht das Führen heute viel anspruchsvoller als in Zeiten, wo Positions- und Fachautorität reichte.

Im Hinblick auf Agilität stellen sich Führungskräfte die Fragen: Wieviel Führung ist notwendig? Sind Hierarchien notwendig?

Herausforderung #5: Hybrid, Home Office

Es ist gewiss: Home Office wird überall zu einem Bestandteil der Realität. Die Präsenz im Büro wird abnehmen. Damit wird Führen virtuell. Wer meint, er wisse dazu nach einem Jahr Corona schon alles, stelle sich diese Fragen: Kann Teambuilding auf Dauer in hybriden Modellen funktionieren? Wie? Was mache ich mit Home Office-Abtauchern? Wie führe ich die geschätzten 10% der Mitarbeitenden, die im Home Office gleichsam verloren gehen? Was ist zu tun, damit sich nicht immer die „Lauten“ durchsetzen?

Viele Führungskräfte haben neue Mitarbeiter noch nie persönlich getroffen. Der Aufbau einer guten vertrauensvollen Beziehung wird als Herausforderung empfunden. („Kaum online zu machen.“)

Und diese Remote-Anforderungen treffen nun auf den Anspruch nach erhöhter Agilität. Wie müssen sich Büro-Arbeitsplätze verändern? Wie fördere ich Kooperation in hybriden Systemen? Wie erhalte ich die Innovationskraft?

Herausforderung #6: Political Correctness

Es gibt Stimmen unter den Führungskräften, die fragen, wie man handlungsfähig und glaubwürdig bleibt, wenn die Gesellschaft aufgrund von Political Correctness immer "weichgespülter" wird. Was soll man davon halten, wenn z.B. mit Begründung auf Compliance erfahrene Mitarbeiter mit langjähriger Tätigkeit aus Schnittstellen entfernt werden sollen, damit Entscheidungen angeblich unvoreingenommener getroffen werden? 

Führungskräfte sind sicher Menschen, die sich nicht alles bieten lassen und die klare Worte finden, ihre Position zu vertreten. Ist es hilfreich, wenn Spontaneität und argumentative Zuspitzung durch die Forderung nach durchgängiger „Political Correctness“ unterbunden werden?  

Kompetenzen und Aspekte, die an Gewicht zunehmen

Anspruch

Führung ist unbequem. Führung setzt erhöhte Leistungsbereitschaft voraus. Führungsverantwortung erfordert, Orientierung bei bestimmten Themen anbieten zu können. Weil Erfolg nicht von einer Person, sondern von vielen abhängt, muss der Anspruch an die Organisation sein, kontinuierlich zu lernen und nach Operational Excellence zu streben. Anspruch kann man nicht lernen, der entwickelt sich aus sich selbst. Dazu muss man selbstbewusst stehen und ihn als Erwartungshaltung auch klar kommunizieren. 

Vision

Unternehmen brauchen eine Vision, um Energie zu bündeln und zu lenken. Wer zukünftig Talente anziehen will, muss Produkte und Aufgaben anbieten, die den Ansprüchen der Next Generation entsprechen. Namentlich Nachhaltigkeit und Sinn. Insofern wird ein ökonomisch fokussierter Regelkreis um werteorientierte Aspekte erweitert. Manche Führungskraft wird sich über den Rückenwind des neuen Zeitgeistes freuen. Mancher kann damit nichts anfangen.

Ziele

Micromanagement war immer schon kein Zeichen für gute Führung. Führen über Ziele setzt Vertrauen voraus. In hybriden Arbeitsmodellen hat das Führen über Ziele und Ergebnisse die Chance, Eigenverantwortung und damit auch Identifikation mit dem Unternehmen zu fördern.

Offenheit

Von der Führungskraft von Morgen kann nicht erwartet werden, alles zu wissen. Im Umkehrschluss kann sie nur bestehen, wenn sie offen ist für Anregungen von außen und selbstreflektiert Entwicklungen moderiert. 

Entscheidungsprozesse

Aber am Ende entscheidet doch die Führungskraft? Möglicherweise, aber vor dem Hintergrund der stärkeren Selbstorganisation und Verantwortung der Belegschaft, geht es darum, Entscheidungsprozesse transparent zu machen. Es geht darum, einzubinden und abzuwägen

Werte

Je veränderlicher die Rahmenbedingungen, desto wichtiger werden erkennbare Werte, um den Mitarbeitenden Orientierung und ein Gefühl von Gerechtigkeit zu geben. 

Dabei ist Gehalt nicht alles! Sinn und Wertschätzung, Identifikation durch Gemeinsamkeiten und Freude an Erfolgen machen viel besser erlebbar, für was das Unternehmen steht; warum man gemeinsam in einem Unternehmen arbeitet. 

Kontrolle muss ersetzt werden durch Vertrauen und Verantwortung. Weil Reibung in Zusammenarbeit normal ist, braucht es eine Feedback- und Lernkultur, die positiv besetzt sind.

Kommunikation

Führung bedeutet Zuhören. Als allererstes. Und weil wir in einem aufgeklärten Zeitalter leben, erfordert Kommunikation Gespür für Empfindlichkeiten. Man kann das auch Empathie, Zuhören und Rücksicht nennen.

In Zeiten ständiger Veränderung, in denen Menschen über Ziele geführt werden, muss mehr kommuniziert werden. Um zu vermitteln, abzustimmen. Deswegen ist Kommunikation als Aufgabe hoch priorisiert.

Mitarbeiter, die in Entscheidungsprozesse eingebunden wurden, muss man nicht von dem eingeschlagenen Weg überzeugen. Sie sind bereits begeistert. Es ist ihr Weg. 

Das hindert aber keine Führungskraft daran, am Ende Entscheidungen zu treffen und diese konsequent umzusetzen. Nur müssen Entscheidungsprozesse transparent sein. Ein Nein muss ein qualifiziertes Nein sein.

Führungskräfte schätzen den Wert von Kommunikationskompetenz sogar höher ein als den von Technologiewissen, weil letzteres aus der Organisation gewonnen werden kann.

Aber auch Mitarbeitende müssen Neues über Kommunikation und Zusammenarbeit lernen. Im Home Office sind sie nicht so visibel. Wer nicht kontrolliert werden will, muss rückmelden, wenn eine Aufgabe erledigt ist und Energie für neue Aufgaben vorhanden ist. 

Zwischenergebnis

Ständige Veränderung stresst jede Organisation. Hinhören und dann konsequent und trotzdem flexibel handeln, tragen dazu bei, die Menschen mitzunehmen.

In hybriden Arbeitsmodellen ist es noch anspruchsvoller, Identifikation mit dem Unternehmen zu erhalten. Führungskräfte mit persönlicher Note, „Typen“, können dazu beitragen. Das sind gut ausgebildete Leistungsträger mit technologischem Überblick, die eher integrieren und moderieren, aber auch nicht auf jede Mode springen. Entsprechend dem Motto „Leaders eat last“ (Simon Sinek) stellen diese Menschen ihre Bequemlichkeiten hintenan und sind auch nicht ständig im Home Office. Sie sind sichtbar und laden zu Kommunikation ein.  

Eine zentrale Aufgabe von Führungskräften bleibt es, talentierten Nachwuchs zu erkennen und zu fördern. Menschen mit Initiative. Fordern und fördern. Und dabei die neue Führungskultur vermitteln. Eine Führung, die sicher situativ angepasst ist und dennoch ein sicherer Ankerpunkt mit klarer Linie.

Die Führungskraft von morgen ist vielseitig. Sie wechselt je nach Situation die Führungsrolle zwischen Leader, Developer und Manager. 


Führungspersönlichkeiten, die zukünftig erfolgreich sind

Aus den vorangehenden Aspekten zeichnen sich die Qualitäten moderner Führungskräfte ab: Leistungswille und technologische Kompetenz vorausgesetzt, benötigen Führungskräfte Empathie und emotionale Intelligenz. Sie sind gekennzeichnet durch klare Werte aber auch durch Offenheit für unterschiedliche Lebensweisen und Werte. Sie sorgen für Orientierung und Zielsetzung bei gleichzeitig glaubwürdiger Flexibilität und Integrationsfähigkeit. Das erfordert authentische intensive Kommunikation.  

Führungskräfte müssen Vorstellungen von der Zukunft haben und diese vertreten. Das erfordert Standhaftigkeit und manchmal auch Mut. Man muss Spannungen aushalten und mit Unklarheit umgehen.

Um Rückhalt und Vertrauen der Mannschaft in einer hybriden Arbeitswelt zu gewinnen, muss viel Energie in den Aufbau von persönlichen Beziehungen investiert werden. Dabei sind Authentizität und Empathiefähigkeit wichtiger denn je.

Führung ist anspruchsvoll. Aus der nötigen Veränderungsbereitschaft, Frustrationstoleranz und Ausdauer ergibt sich, dass man Führung wollen und können muss. Verantwortung und Sichtbarkeit haben ihren Preis. Deshalb sind Führungskräfte gesucht, die eine gute Balance aus Klarheit, Mut, Vorausgehen bei gleichzeitiger Empathie und gutem Intellekt haben und dabei natürlich digital versiert sind.

Fazit

Der Wandel vom Manager zum Enabler verlangt Führungskräften ein Umdenken ab. Aber noch viel mehr erfordert es ein anderes Selbstverständnis. 

Authentizität im Wandel, feine Antennen, um Veränderungen wahrzunehmen und die resultierenden Herausforderungen für Mitarbeiter nachvollziehbar machen und diese an der Erarbeitung von Lösungen teilhaben lassen.

Daher sind wohl (endlich) wieder „Typen“ gefragt und keine Schablonen mehr. Diese neuen Typen sind aber keine Cowboys, sondern Menschen mit starkem Selbstbewusstsein und hoher technologischer UND emotionaler Intelligenz, die es schaffen, der Gemeinschaft Orientierung, ein Gefühl von Verantwortung, Gemeinsamkeit und Teilhabe zu stiften.

 

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