Durch den engen Kontakt in zahlreiche mittelständische Unternehmen wissen wir, dass durch Home Office und wirtschaftliche Unsicherheit die Identifikation mit dem Unternehmen unter Druck gerät. Wie erhalten wir den Teamspirit? Wie entstehen neue gemeinsame Ideen, wenn spontane Verbindungen gekappt sind?
Die neuen Randbedingungen verändern massiv die Arbeitsstrukturen, in denen die meisten Menschen sozialisiert sind. Mit der veränderten Situation verändern sich Bedürfnisse und Werte der Menschen. Wie Menschen mit den Veränderungen klarkommen, hat viel mit ihnen selbst zu tun, mit ihrer eigenen Haltung und Kompetenz. Deswegen stehen Führungskräfte vor großen Herausforderungen.
Eines ist gewiss: Die Zukunft wird hybrid. Home Office und die Zusammenarbeit in Präsenz werden ganz selbstverständlich nebeneinander existieren. Was also muss anders sein beim „Führen nach Corona“? Darüber haben wir mit über 20 Geschäftsführern diskutiert. Hier stellen wir einige Einsichten zusammen.
Standardaufgaben der Führung – notwendige Ergänzungen beim Führen auf Distanz
Das Thema ist relevant, weil uns die Randbedingung des Führens auf Distanz weiter begleiten wird. Wir müssen uns also überlegen, wie wir die Aufgaben der Führung - hier in der Graphik mit den Begriffen von Covey und Malik dargestellt - auch auf Distanz ordentlich erfüllen können.
Im Hinblick auf die Herausforderung „Führen auf Distanz“ halten wir als Personalberater vier Aspekte für zentral:
- Medienkompetenz
- Achtsamkeit
- Vertrauen
- Persönlichkeit
Medienkompetenz ist das kleine Einmaleins. Hier kann man mit gezielten Schulungen viel erreichen. Sowohl in der 1:1 Kommunikation als auch in größeren Workshops oder in der Mitarbeiterkommunikation.
Achtsamkeit. Als Führungskraft ist man traditionell eher interessiert an Ergebnissen. In der aktuellen Situation stellen sich Ergebnisse aber nicht mehr so leicht ein: Planung und Kontrolle werden schwieriger. Man hat die Mitarbeitenden nicht mehr so leicht im Blick und im Zugriff, Abstimmungen werden damit aufwendiger. Durch die physische Distanz gehen Informationen über das Wohlbefinden und die Leistungsbereitschaft der Kollegen verloren, wenn man nicht aktiv hinhört.
Das führt uns direkt zum dritten Punkt:
Vertrauen. Stellt man Vertrauen durch Transparenz allein her? Nein! Vollständige Transparenz ist im Unternehmen fast unmöglich. Vertrauen war vor der Pandemie fundamental und es ist jetzt noch wichtiger. Vertrauen ist die Brücke über die gegenwärtige Unsicherheit.
Als Personalberater wissen wir: Die Menschen kommen wegen einer Firma und bleiben (oder gehen) wegen ihrem Chef. Deswegen möchten wir abschließend noch die Bedeutung der Führungspersönlichkeit hervorheben. Integrität und Berechenbarkeit (Charakter, Kultur) sowie Kompetenz (Weiterentwicklung und Ergebnisse) sind ein guter Anfang.
Kernthemen und Lösungsansätze
Mehrfach wurde von den Teilnehmern des Workshops die zunehmende Bedeutung von Purpose, gemeinsamen Werten und dem Bewusstsein einer gemeinsamen Kultur hervorgehoben.
Vertrauen
Insbesondere im Hinblick auf vermehrtes Home Office (Unsichtbarkeit der Mitarbeitenden) ist Vertrauen für Führungskräfte überall ein großes Thema. Zu beachten ist dabei, dass Vertrauen zwei Richtungen kennt und durch das faktische Machtgefälle zwischen Führung und Geführten fragiler und anfälliger wird.
Vertrauen der Führungskräfte in die Mitarbeitenden
Die Gefahr von Fehleinschätzungen wird aufgrund der reduzierten Wahrnehmung im Virtuellen größer. Dem vereinzelten Wunsch nach besseren Kontrollmechanismen wurde die Frage entgegengestellt, ob denn, wo Misstrauen herrscht, die Situation durch Überwachung besser würde? Empfohlen wurden Vertrauensvorschuss, positive Haltung und Fehlertoleranz. Teamleiter sollten die Ergebnisse im Blick behalten. Um Vertrauen zu begründen, hilft die Mitwirkung der Mitarbeitenden z.B. durch selbstständige Rückmeldungen.
Vertrauen der Belegschaft in die Führungskräfte
Insbesondere in Krisen müssen Führungskräfte präsent sein und Sicherheit ausstrahlen. Das war schon immer so und galt u.a. auch in der VUCA-World (volatile, uncertain, complex , ambiguous). Insgesamt wirken Transparenz und Integrität sehr förderlich. Wie oben bereits erwähnt, ist Vertrauen die Brücke über Unsicherheit. Es kann enorm dazu beitragen, die Identifizierung mit dem Unternehmen und den Spirit zu erhalten.
Aufgaben der Führung
Die Antwort auf die Frage, wie man Vertrauen in hybriden Arbeitsmodellen gewinnt, bleibt dieselbe wie früher. Vertrauen entsteht durch Klarheit, Führung und Kommunikation. Es ist nur eben schwieriger, weil ungewohnter, virtuell effektiv als neue Führungskraft zu arbeiten.
Für den Zusammenhalt im virtuellen Raum sind zwei Aufgaben für Führungskräfte zentral: Organisieren und integrieren.
Organisieren.
Es wird definitiv wichtiger, die Zusammenarbeit an den Schnittstellen bei virtuellen Teams gut zu organisieren. Was abteilungsintern noch recht gut lösbar ist, wird umso anspruchsvoller, wenn es um bereichsübergreifende Zusammenarbeit geht.
Integrieren.
Durch dauerhafte Isolation verlieren Mitarbeiter potentiell den Draht zur Firma. Es bereitet Führungskräften mitunter Schwierigkeiten Emotionen zu vermitteln und aufzufangen. Hier hilft Medienkompetenz und das Verständnis für die Bedeutung nachhaltig zu netzwerken. Digitale Möglichkeiten unterstützen dabei, zu entfernten Mitarbeitenden öfters Nähe herzustellen und die persönliche Kontaktebene zu pflegen.
Es mag zunächst überraschen, aber zu einer wirkungsvollen Integration gehört auch Konflikte zu lösen. Wie lösen wir digital Konflikte? Einigkeit besteht darin, dass die Konfliktbefähigung von Führung nicht genug ausgebildet ist. Ob schwierige Themen (Reklamationen, Brainstorming) effektiv virtuell zu besprechen sind oder doch lieber persönlich, muss die Führungskraft situativ erspüren.
Wer sind die Führungskräfte von morgen?
Ein klarer Kompass ist bei Führungskräften im Digitalen noch entscheidender als unter Präsenzbedingungen. Wem es ohne Präsenz schwer fällt, Vertrauen aufzubauen, der wird es eher schwer haben. Für Unternehmen ist eine gute Team-/Firmenidentifikation elementar. Daher wird die Rücksicht auf unzureichende Führungskompetenz nachlassen. So unangenehm es für den Einzelnen sein mag: Wir werden nicht jede Führungskraft mitnehmen können. Lösungen in solchen Situationen reichen von Umstieg auf Fachkarriere bis zu Trennung.
Performance steigern
Für Unternehmen ist der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit überlebenswichtig. Die Geschäftsführer wissen, dass Identifikation, Kommunikation, Begeisterung und Wertschätzung Voraussetzungen für gemeinsamen Erfolg sind.
Bezüglich der reinen Produktivität wird angeführt, dass durch Home Office auch so manche Plauderei zwischen Tür und Angel entfällt. Allerdings wird eine hohe Anzahl an virtuellen Meetings durchaus auch als anstrengend empfunden und mangels Erfahrung kaum Zeit zum Verschnaufen eingeplant.
Solange physische Distanz aus Gesundheitsschutz geboten ist, stellt sich die Frage nicht. In einer Notsituation muss man durchhalten. Für die Zeit danach werden kluge Hybridmodelle gefordert: Wie kann man Home Office und Präsenz so verbinden, dass es für die Mitarbeitenden eine Bereicherung darstellt? Es wird vorgeschlagen, die sozialen Aspekte des persönlichen Austauschs wieder mehr in den Fokus zu rücken, ohne alle Freiheiten des Home Office aufzugeben.
Einigkeit herrscht, dass Unternehmen einen Rahmen vorgeben müssen, den sie durchaus mit den Beschäftigten gemeinsam finden können. Daher ist es sinnvoll, hybride Lösungen zu erarbeiten und die Vorteile individuell und für das Unternehmen darzustellen.
Die Präsenz im Büro muss durch sinnvolle Termine und Begegnungen wertvoll sein. Das Home Office ist dann der Rückzugsort um Impulse und Input zu verarbeiten. Dies bedarf einer koordinierenden Steuerung in der Projektarbeit. Zu vermeiden sind Willkür und Planlosigkeit („Ich komme dann mal am Montag.“). Die noch jungen Erfahrungen werden sich stabilisieren durch Vorleben, Aufklärung und klar formulierte Erwartungen und Spielregeln.
Während einige Führungskräfte sich also noch fragen, wie man die Rückkehr der Mitarbeiter ins Büro organisiert, fragen andere, warum sie unbedingt zurückkommen sollten, wenn doch die Leistung gut ist? Sie empfehlen einen Lösungsfokus. Arbeitsumgebungen sind so einzustellen, dass alle gut arbeiten können, egal wo die Leute sitzen.
In der Realität muss man erkennen, dass die Voraussetzungen für ordentliche Home Office Arbeit schlicht nicht überall gegeben sind. Aufgrund des verbreiteten Wunsches nach dauerhaft hybridem Arbeiten, wird man zwangsläufig Arbeitsplätze anpassen müssen. Vielleicht ist es möglich, Gelder, die durch Shared Office frei werden, in Dinge zu investieren, die virtuelles Arbeiten besser ermöglichen.
Für viele Unternehmen mit abgelegenen Standorten ist virtuelles Arbeiten eine Chance Mitarbeiter trotz Fachkräftemangel zu gewinnen und zu halten. Auch aus Vertriebssicht lässt sich durch virtuelle Kontakte viel Zeit sparen. Es ist an der Zeit umzudenken und die neuen digitalen Möglichkeiten zu nutzen.
Die Verantwortung für Ergebnisse liegt bei den einzelnen Teams. Dann muss man auch den Teams überlassen, wie sie sich organisieren. Es ist dann ihre Entscheidung, wann persönliche Treffen wichtig sind. Ganz ungünstig wirkt da Micromanagement. Klar ist aber auch, dass verantwortliche Führung diese Selbstorganisation fördern und unterstützen und der Selbstausbeutung vorbeugen muss.
Nicht unerwähnt bleiben soll ein gutes Verständnis zwischen Produktion und Büroarbeitsplätzen. Während man sich in der Produktion oft einfach wieder Normalität wünscht, gewöhnen sich andere an Mobile Work. Das ist vielerorts ein schwieriges Thema. Die Produktion ist das Fundament auf dem viele Unternehmen stehen. Es ist wichtig, die remote arbeitenden Kollegen weiter gut anzubinden. Neiddiskussionen sind nicht angezeigt, wenn das Unternehmen sich lösungsorientiert an Produktivität orientiert.
Es bleiben offene Fragen
- Wie entsteht Kreativität in hybriden Arbeitsmodellen?
- Wie werden neue Mitarbeiter remote integriert?
- Welche Langzeitfolgen bringt das Arbeiten auf Distanz mit sich?
- Wie ist Gleichbehandlung in hybriden Modellen im Spagat Produktion und Verwaltung möglich?
Viele Geschäftsführer sind offen für Lösungen, sie wissen nur nicht wie diese konkret aussehen sollen. Es fehlt noch Erfahrung und zum Teil das Vertrauen, dass auch in hybriden Modellen Zusammenarbeit funktioniert.
Am Ende befinden wir uns in einem Anpassungsprozess von Führungsmodellen. Damit ändern sich die Erfolgschancen verschiedener Führungspersönlichkeiten. Wer hier Entwicklungen früher und besser versteht, hat damit eine Orientierung um Potentiale zu erkennen und zu fördern, die im hybriden Modell für Führungsaufgaben geeignet sind.
Kommt die neue Kultur und das Verständnis neuer Führungskompetenzen von selbst? Sicher nicht. Die Themen machen deutlich, dass Führung nach Corona keine Kleinigkeit ist.