Manchmal sind es scheinbar Kleinigkeiten, an denen man merkt, dass etwas nicht (mehr) stimmt: die Teilnahme an Regelmeetings wird kurzfristig abgesagt, Beiträge zu Diskussionen beschränken sich auf das Nötigste, Verbesserungsvorschläge werden seltener und persönlicher Austausch findet kaum noch statt. Jeder Einzelne vermisst etwas, erinnert sich an Zeiten, in denen alle an einem Strang zogen und erwischt sich doch immer häufiger dabei, die eigene Arbeit zu verteidigen, statt nach der für alle besten Lösung zu suchen.
Und diese Veränderung findet oft so schleichend statt, dass es anfangs gar nicht auffällt. Hinzu kommt, dass es eigentlich immer genügend äußere Ursachen gibt, auf die sich alle einigen können. Veränderungen in Märkten und Lieferketten, steigende Anforderungen des Konzerns und Ziele, die als unrealistisch oder konfligierend wahrgenommen werden, dienen als Begründung für den Rückzug auf das vermeintlich wichtigste: den Erfolg der eigenen Abteilung.
Ein konkretes Beratungsbeispiel aus unserem Cultural Consulting
Im konkreten Fall, einem marktführenden internationalen Unternehmen im Bereich der Medizintechnik, wandte sich ein Geschäftsführer mit der Sorge vor latenter Überlastung seines Führungsteams an uns. Seine Geschäftseinheit hatte in den vergangenen Jahren mit großer Konsequenz an einer umfassenden Transformation gearbeitet.
Diese Transformation wurde durch akute Anforderungen des Konzerns und Herausforderungen aus dem Kontext der vergangenen Pandemie deutlich beschleunigt. Und im Fortschritt der Transformation hatten sich zudem sowohl die organisatorische und prozessuale Einbindung der Führungskräfte (Matrix-Struktur) als auch die Erwartungen an Führung und Verantwortungsübernahme insgesamt signifikant verändert. Es ging nun der Geschäftsführung darum, die mit der Gesamtführung betrauten Menschen in dieser Situation auch emotional abzuholen und gemeinsam - unter den gegebenen Bedingungen - an den Herausforderungen in der Zusammenarbeit zu arbeiten.
Die Arbeitsziele für eine erste Intervention wurden bereits bei der Ankündigung der Maßnahme offen kommuniziert, bewusst niedrig angesetzt und wie folgt definiert:
- Individuelle und gemeinsame Reflektion über die Kultur der gegenwärtigen Zusammenarbeit
- Identifikation von besonderen – auch emotionalen - Herausforderungen, Reibungsverlusten und Möglichkeiten zur Verbesserung der Zusammenarbeit
- Gemeinsame Sicht auf zukünftige Zusammenarbeit unter besonderer Berücksichtigung von Erfolg in ökonomischer und emotionaler Hinsicht
Gewählte Methodik und Vorgehen von Dr. Terhalle Personalberatung
Methodisch wurde ein Ansatz gefunden, der den individuellen Bedürfnissen, Anforderungen und Zielen der Führungskräfte ausreichend Raum gab, von den Einzelnen nur minimalen Zeitaufwand erforderte und die Gemeinsamkeiten sowohl in der Beschreibung der Ausgangslage als auch in der Lösungsfindung hervorhob. Als idealer Ausgangspunkt erwies sich dabei das Toolset von Barrett Analytics, das mit nur 3 Fragen zu den persönlichen Werten, der aktuell wahrgenommen und der für optimalen Erfolg notwendigen Kultur auskommt und lediglich 15 Minuten Ausfüllzeit erfordert.
Dabei besteht der Erfolgsbeitrag dieser Methodik darin, dass sie ein paar einzigartige Merkmale in sich vereint und aufgrund der internationalen Erprobung und der überzeugenden Auswertungen stets auf große Akzeptanz stößt. Einzigartig sind vor allem folgende Merkmale:
- Die Abfrage persönlicher Werte der Teilnehmenden erzeugt Wertschätzung und Anschlussfähigkeit sowie ein starkes Wir-Gefühl
- Die Analyse der aktuellen Kultur legt Stärken und Schwächen offen
- Mit der gewünschten Kultur fokussiert man sich auf gemeinsamen Erfolg und Lösungen
Im aktuellen Beispiel wurde der erste Punkt noch einmal dadurch betont, dass die individuellen Ergebnisse mit jeder einzelnen Führungskraft in einem 90-minütigen Einzelinterview vorab besprochen und analysiert wurden. Dadurch wurde zum einen erreicht, dass sich die Einzelnen von Beginn an ernst genommen und gehört fühlten und trotz anfänglicher Skepsis zu Beginn der Interviews diese am Ende durchweg als persönlich gewinnbringend und lohnend einstuften.
Zeitlicher Ablauf erste Phase
Zum anderen ermöglichte dies eine optimale Vorbereitung und effiziente Gestaltung des anschließenden Workshops zur Besprechung der Ergebnisse und Ableitung von ersten Maßnahmen, der so trotz deutlicher Herausforderungen in der aktuellen Zusammenarbeit mit nur einem einzigen Tag auskam.
Ergebnis der Kulturanalyse
Das Ergebnis der Kulturanalyse brachte für die aktuelle Kultur neben klaren Stärken wie Ergebnisorientierung, Einsatzbereitschaft/Engagement und Erfahrung auch eine Reihe von Defiziten zutage. Dabei wurden Silo-Denken, kurzfristige Orientierung und Schuldzuweisung von der Mehrheit der Führungskräfte als wichtigste Herausforderungen identifiziert.
Insgesamt entfielen fast ein Drittel (32%) der zur Beschreibung der aktuellen Zusammenarbeit gewählten Begriffe auf zumindest potenziell limitierende Faktoren, was in der Auswertung von Barrett Analytics als Maß für Reibungsverluste in der aktuellen Zusammenarbeit gewertet wird und einen Culture-Score deutlich unter dem Branchendurchschnitt ergab.
Kulturergebnis
Da alle Führungskräfte ihre Sorgen bereits in den individuellen Interviews loswerden konnten („Empty the Bucket“) war die Diskussion im gemeinsamen Workshop schnell sehr offen und konkret. Schnell wurde klar, dass die gelebte „Silo-Mentalität“ in der Tat eine zum Teil bewusste, zum Teil unbewusste Reaktion auf die tatsächlichen und die empfundenen Anforderungen und Reaktionen der obersten Führungsebene und auf die zunehmende Überlastung durch die Wahrnehmung widersprüchlicher Prioritäten darstellten.
Unter den wahrgenommenen Bedingungen erschien es für den Einzelnen rational und völlig selbstverständlich, die eigene Erfolgsstory möglichst makellos aussehen zu lassen. Um eine solche Situation im Sinne einer konstruktiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit aufzulösen, in der aus Fehlern gelernt und der Bereichserfolg dem gemeinsamen Erfolg untergeordnet wird, bedarf es neben der offenen, an konkreten Beispielen orientierten Benennung der Missstände vor allem des wiederholten Erlebens individueller persönlicher und fachlicher Wertschätzung. Dabei ist entscheidend, dass Schwächen zugegeben und kritische Punkte auch nach oben hin kommuniziert werden dürfen.
Ergebnisse
Im konkreten Fall konnte man sich am Ende des ersten Workshops nicht nur auf ein paar einfache Regeln verständigen, sondern auch gemeinsame Stärken erkennen und die Fortführung der Maßnahme in weiteren Workshops beschließen. Wie zu erwarten, waren die Rückmeldungen nach dieser ersten gemeinsamen Kulturarbeit einerseits sehr positiv im Hinblick auf das bisher Erreichte, anderseits aber auch skeptisch im Hinblick auf eine nachhaltige Verbesserung der Situation.
Insbesondere die Geschäftsführung wurde daher sehr positiv überrascht, als nach nur acht Wochen auf die Frage, was seit dem letzten Workshop „Besser geworden“, „Unverändert geblieben“ oder „Schlechter geworden“ sei, die positiven Veränderungen in der erlebten Zusammenarbeit deutlich überwogen. Insbesondere Nennungen wie „Problemlösung vor Eskalation“, „Keinen Schuldigen gesucht“, „Gegenseitiges Feedback“ und „Gegenseitige Unterstützung“ deuteten auf eine schrittweise Auflösung der Problematik der Silo-Mentalität hin.
So konnte man sich im zweiten Workshop nach einiger Zeit (ebenfalls nur 1 Tag) nun darauf fokussieren, die Einsicht in die Notwendigkeit der Veränderung zu festigen und ein auch emotional ansprechendes gemeinsames Zielbild zu entwickeln. Für die nachhaltige Umsetzung dieses Zielbildes konnte die Gruppe bereits im Workshop konkrete Maßnahmen entwickeln, die sie anschließend eigenständig umsetzten.
In der Folge wurden anknüpfend zwei weitere Workshops geplant und auch durchgeführt, in denen es neben der Kontrolle und Verbesserung der laufenden Entwicklung zum einen um konkrete Führungstools und zum anderen um die horizontale und vertikale Integration weiterer Unternehmensbereiche ging.
Silo-Mentalität: Unser Fazit
Eine Silo-Mentalität aufzulösen, bedeutet für den Einzelnen, verletzbar zu sein und damit Unsicherheit zu wagen. Damit dies gelingen kann, muss eine vertrauensvolle Atmosphäre erlebt werden und dies gilt im Grundsatz auch in Zeiten stetig zunehmenden Drucks und latenter Überlastung.
Nicht alle werden ohne Weiteres die dazu notwendigen Veränderungen sofort mitgehen können und wollen. Gegenseitiges Verständnis innerhalb der Gruppe sowie ein Ansatz, der die persönlichen Werte und Bedürfnisse aktiv miteinbezieht, können dazu beitragen, die Gesamtentwicklung trotzdem in die gewünschte Richtung zu lenken.
Die Erfolgsfaktoren im Überblick
- Die individuelle Akteure mit persönlichen Werten emotional abholen
- Störgefühle beseitigen, Empty the Bucket, Gehört-werden ermöglichen
- Gemeinsamkeiten hervorheben, Wir-Gefühl schaffen
- Notwendigkeiten klar machen
- Konkret werden, Beispiele nennen
- Wenige, einfache Regeln zur Zusammenarbeit implementieren und schrittweise ergänzen
- Gemeinsame Kultur-Vision erarbeiten (Dream-Team)
- Erfolge sichtbar machen und feiern
Rückschläge analysieren und daraus lernen