Dr. Terhalle Personalberatung lud Ende Juni zum 4. kollegialen Austausch unter Personalentscheidern ein. Nachdem in den letzten Monaten Themen wie Mitarbeiterbindung und Hybride Arbeitsmodelle diskutiert worden waren, ging es bei dieser Diskussionsrunde um das Thema, welchen Einfluss HR-Arbeit auf die Performance eines Unternehmens hat.
Geht man davon aus, dass das Wirkfeld der Personalentscheider die Mitarbeiter selbst sind, dann verdeutlicht folgendes Schaubild die Angriffspunkte, wo Personaler positiv auf die Performance Einfluss nehmen können.

In Krisenzeiten bieten die Mitarbeiter aufgrund privater Belastungen weniger Energie in der Arbeit auf. Zusätzliche Energie, die durch innere Motivation mögliche ist, wird durch Verunsicherungen gedrückt.
Durch unpassende Prozesse induziert durch z.B. virtuelles Arbeiten erhöht sich der zu leistende Grundumsatz. Zusätzliche Reibungsverluste durch Konflikte, Ängste, Spannungen nehmen weitere Energie, so dass am Ende deutlich reduzierte Energie zur Erreichung von Zielen und Strategie übrig bleibt.
Daraus ergeben sich die Themen, bei denen HR den Hebel ansetzen kann.
Private Belastungen reduzieren die mögliche Arbeitsenergie
Die Corona-Pandemie war der Auslöser, dass große Teile der arbeitenden Bevölkerung ins Home Office übergesiedelt sind. Dort mussten viele die ausfallende Kinderbetreuung ersetzen, oftmals in herausfordernden räumlichen Verhältnissen.
Unternehmen haben versucht, die Mitarbeitenden auf vielfältige Weise zu entlasten bzw. zu unterstützen: Flexibilisierung der Arbeitszeit und des Ortes, Unterstützung bei Kinderbetreuung und bei allgemeinen familiären Themen mit einer Hotline (icas) auch für Angehörige.
Aktuell wird der Corona-Schutz für die Belegschaften durch die Betriebsärzte und eigene Impfzentren beschleunigt.
Mitarbeiterumfragen und viele Gespräche helfen HR einen Einblick in die echten Bedürfnisse der Betroffenen zu erhalten.
Verunsicherung drückt auf die Motivation
Nicht nur den Chefs fehlt die Nähe zu den Mitarbeitern. Die Mitarbeiter im Home Office haben weniger persönlichen Kontakt zu Kollegen. Sie erfahren aus der Presse negative Auswirkungen der Krise. Viele erlebten in der Vergangenheit selbst bereitsPhasen der Kurzarbeit und der unsicheren wirtschaftlichen Aussichten.
Dienstreisen und Feste fallen aus. Dinge, die den Arbeitsalltag beleben. Es gibt einen allgemeinen Frust über die vielfach unklare Situation, der die Motivation hemmt.
Gegen die allgemeine Corona-Angst halfen Taskforces, die unermüdlich über Gesundheitsschutz informiert und aufklärt haben.
Die Unternehmen bemühen sich, ihrer Belegschaft größtmögliche Sicherheit zu bieten, in dem sie oft auch über die Erwartungen hinaus Fürsorgemaßnahmen leisten (Masken, Test, Impfung).
Bei den Mitarbeitenden, die während Corona nicht in die „Sicherheit“ des Home Office konnten, entstand z.T. das Gefühl, dass sie den Betrieb aufrecht erhalten. Arbeitgeber danken es ihnen u.a. durch Priorisierung bei der innerbetrieblichen Impfung und kostenloses Kantinenessen.
HR kann unterstützen, Struktur in den Arbeitsalltag zurückzubringen, Teamgefühl erhalten durch
Kommunikationsplattformen (formell, informell), Coffee-Roulette etc. Das alles kann zur Mitarbeiterbindung beitragen. Virtuelle Meetings scheinen insgesamt schon gut als Ersatz akzeptiert. Die Leute wollen trotzdem wieder zurück ins Büro.
Den Sorgen vor wirtschaftlichen Folgen ist vor allem mit viel Kommunikation und Transparenz beizukommen. Insgesamt hat die Pandemie das Kostenempfinden aller verändert. Es gibt ein größeres Verständnis für rechtzeitige Gegenmaßnahmen und Kostenoptimierungen. Regelmäßige Town Hall-Meetings schaffen Vertrauen in die Führung. Erhöhte Achtsamkeit der Führungskräfte, die sich Zeit nehmen, Feedback erfragen und unermüdlich erklären, untermauern dieses Vertrauen.
Trotz aller Bemühungen um Flexibilität und nachvollziehbare, Orientierung stiftende Regeln gibt es immer auch einige, die das nicht gut finden und individuelle Rhythmen fordern. Ein guter Ton und gegenseitige Wertschätzung sowie viel Kommunikation, Argumentation und Verständnis machen ein qualifiziertes „Nein“ leichter nachvollziehbar.
Unpassende Prozesse erhöhen den energetischen Grundumsatz
Hybrides Arbeiten d.h. eine Mischung aus Home Office und Büro-Präsenz bringt die gewohnten Prozesse durcheinander. Papierordner müssen aus DSGVO-Gründen im Büro bleiben, Unterschriftswege dauern länger, Telefonweiterleitungen klappen nicht ohne weiteres, der IT-Zugriff auf den Server ist langsam und man sieht nicht, ob die Kollegen gerade spontan ansprechbar sind.
Was wir erleben ist allerdings nur eine durch Corona beschleunigte Digitalisierung und ein weiterer Schritt auf dem Weg zum oft gepriesenen „New Work“. Manchmal scheint es, dass Chefs an New Work die Agilisierung lieben, weil sie mehr Flexibilität von den Mitarbeitenden erwarten. Wenn es aber um Flexibilisierung der Arbeit und moderne Arbeitswelten geht, endet der Zukunftsglaube konservativer Geschäftsführungen.
Es ist erschreckend, aber die Digitalisierung sehr vieler Funktionsbereiche und Prozesse ist nicht sehr weit fortgeschritten. Das verwundert nicht, weil doch Automatisierung und Digitalisierung zunächst Geld kosten. Governance, Betriebsratsansprüche und Security-Bedenken stehen flexibleren Ansätzen wie „Bring your own device“ oft im Weg.
Seien wir unbesorgt: Die Optimierung der Prozessabläufe wird stetig fortschreiten. Der enge Austausch mit den Fachbereichen ist wichtig. HR kann hier wichtige Rückmeldungen ans Management geben. Auch HR selbst wird im Hinblick auf zukünftige Pandemien oder fortlaufend höheren Home Office-Anteil die administrativen HR Prozesse immer weiter standardisieren, digitalisieren und automatisieren.
Gefragt ist hier ein gesunder Pragmatismus. Totale Sicherheit kostet Zeit und Geld.
Mikromanagement durch die Führung impliziert eine Misstrauenskultur und konterkariert Eigenständigkeit von Experten.
Es geht darum, ein präsenter Ansprechpartner zu sein und die Interessen von Unternehmen und Mitarbeitern zu vereinen. In Corona musste kreativ gedacht werden. Einige Maßnahmen werden sich nachhaltig als wertvoll herausstellen. Die breite Akzeptanz sollte gefördert werden, eine Umkehr zu alten Mustern vermieden werden.
Erhöhte Reibungsverluste durch Spannungen und Ängste
Neben den privaten Problemen entstehen mit der Sondersituation der Pandemie und der sich dadurch etablierenden hybriden Arbeitsmodelle auch Beziehungsprobleme in der Firma, die sich (negativ) auf die Performance auswirken.
Was mit der Unsicherheit über die Akzeptanz von Home Office durch die Geschäftsführung beginnt, hört beim ungewohnten Führen auf Distanz nicht auf.
Eine selten gehörte Maßnahme eines Unternehmens war es, die Ziele auf 85% runterzusetzen. Der Effekt war unmittelbare Entspannung und Vertrauen in die Führung.
Erhöhte Fehlertoleranz, flexiblere Arbeitszeiten und Personalentwicklungsangebote auch in der Krise helfen den Mitarbeitenden sich auf die Krise einzustellen, weil sie erleben, wie gemeinsam konstruktiv um funktionierende kontinuierliche Zusammenarbeit gerungen wird.
Die Kultur spielt hier eine große Rolle! Die Einstellung, einfach mal machen zu lassen, fällt vielen Führungskräften schwer.
Wer vor der Krise Erfahrungen mit agiler Entwicklung gemacht hatte, profitierte in der Krise u.a. durch schnelle Einführung von Check-ins, Daily Stand-ups etc. Bei dieser Art von Arbeitsorganisation herrscht recht kurzwellig hohe Transparenz. Es fällt einfach auf, wer an was arbeitet und wer nicht performt. Diese Organisation fördert Eigenverantwortung und Führungskräfte haben es leichter, loszulassen, sich zu entspannen und dem Team zu vertrauen.
Die hybriden Arbeitsmodelle werden sich durchsetzen. Insofern sollten Führungskräfte ihre Kompetenzen virtuell zu führen gezielt trainieren. There is always room for improvement!
Mitarbeitende und Betriebsräte müssen den neuen Herausforderungen aber auch mit Verständnis begegnen. Vertrauen wird leichter geschenkt, wenn bei der Kommunikation die Kameras an sind!
Engmaschiger Austausch, eine gute Feedbackkultur und Flexibilität erhalten die Teamstimmung und fördern Eigenverantwortung.
Durch hybride Arbeitsmodelle werden Büros frei. Namenschilder an Türen werden selten.
Noch gibt es nur vage Ideen, wo die Reise nach Corona hingeht. Büros werden umgenutzt. Meetings in der Firma, gemeinsame kreative Arbeiten und synchrone Teampräsenzzeiten stärken voraussichtlich den Teamspirit. Es darf nicht als Strafe angesehen werden, ins Büro zu „müssen“.
Einiges ging auch schief
Personalentscheider berichten von Kündigungen durch Entfremdung im Home Office. Die Attraktivität des Office und damit die Bereitschaft vor Ort zu arbeiten sollte hochgehalten werden.
Mancherorts gab es aber auch regelrecht Widerstände gegen Home Office.
Betriebliche und gesetzliche Arbeitszeitregelungen stehen oftmals der Lebensrealität entgegen.
In etlichen Fällen wurde die Führungsschwäche unterschätzt. Der Umgang mit Underperformern zeigt das recht deutlich. Sie werden eher in Ruhe gelassen, kritische Gespräche werden aktuell noch vermieden.
Ein scheinbar lustiges aber durchaus reales Problem ist das Inventar-Chaos, in das die IT durch die „Flucht ins Home Office“ gestürzt ist. Hardware wurde großzügig bestellt, Inventar ist jetzt irgendwo. Die Übersicht ist zumindest temporär verloren.
Fazit: Chancen für die Rolle HR
In der Krise musste HR mannigfaltige Kompetenzen aufbauen. HR wurde und ist kompetenter Ansprechpartner in allen operativen Fragestellungen. Angefangen bei der Übersicht zum Thema Risiko aus Corona bis hin zur Etablierung reibungsloser Home Office Lösungen im Zusammenspiel mit der IT.
Durch die Stärkung von Achtsamkeit in Hybriden Systemen, bewusstes Akzeptieren und Vorleben von Auszeiten wird die virtuelle Zusammenarbeit gestärkt. Es geht darum, die neuen Möglichkeiten zu umarmen, positive Erfahrungen zu feiern und zu etablieren. Gute Performance im Home Office muss auch gesehen werden und anerkannt werden.
Es geht im Hinblick auf die Mitarbeiterbindung aber auch darum, Präsenztermine gezielt zu organisieren. Teamevents in kleineren Gruppen werden wichtiger.
Wie schaffen wir es, dass das Pendel nicht wieder zurückschlägt?
Es ist notwendig, immer wieder auf die Vorteile von der neuen Art hinweisen, Position zu beziehen. Eine gute Abstimmung mit dem Betriebsrat, viel Kommunikation mit Geschäftsführung und Mitarbeitern über Erwartungen ist unabdingbar. HR kann die neue Akzeptanz nutzen und einsetzen.
Wieviel Home Office wird es in Zukunft geben? Dazu muss HR nah an den Fachbereichen sein. Jeder Bereich hat seine eigenen Bedürfnisse an Flexibilität. Ein neuer Dreh: „Es wird immer so viel Home Office Anteil geben, wie es braucht, um die anfallende Arbeit optimal leisten zu können.“
Wann wird es so wie vor der Pandemie?
Vermutlich nie wieder, aber das wäre ja doch auch schade, oder? Wir erleben und gestalten eine evolutionäre Entwicklung. HR sieht die Chancen. Und das Board?
Wie schaffen wir es, Erkenntnisse und Errungenschaften aus der Krise in die Unternehmens-DNA einzubauen?
Es wird nötig sein, die Dinge klar zu analysieren. Die Dinge müssen weiter vorgelebt werden. Alte Gewohnheiten müssen bewusst nicht zugelassen werden. Dazu gehört auch Mut.
Es gilt das Handeln während der Krise in das Tagesgeschäft zu überführen (vor allem Digitalisierung).
Dazu hilft es Betroffene zu Beteiligten zu machen (Einbindung, Mitarbeiterbefragungen), kreative Überlegungen gemeinsam anzustellen, Flexibilität und Offenheit zu erhalten, Kompetenzen zu stärken und Vertrauen zu fördern.