Kulturtransformation unter erschwerten Bedingungen - eine Case-Study

Kulturtransformation heißt, Werten Taten folgen lassen

Der hier beschriebene Fall aus unserer aktuellen Cultural Consulting-Praxis zeigt, wie kulturelle Veränderung selbst dann gelingen kann, wenn wirklich alles anders kommt als geplant.

Stellen Sie sich ein bislang erfolgreich wachsendes, produzierendes deutsches Technologieunternehmen in der Kfz-Branche vor, die insgesamt vor einem akuten Umbruch steht. Als noch niemand an eine Pandemie dachte, war die Fluktuation deutlich zu hoch und das Vertrauen ins mehrheitlich asiatische und an der Muttergesellschaft ausgerichtete Top-Management wahrnehmbar niedrig. Die Produktivität schwankte, es gab eklatante Qualitätsprobleme, der OEM war mit mehreren Dutzenden Consultants im Haus und die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden war gering.

Ein mehrsprachiges Kultur-Assessment sollte Klarheit über die Gründe für die durch alle Hierarchieebenen wahrnehmbaren Reibungsverluste bringen und als Ausgangsbasis für eine Kulturtransformation dienen.

Dazu wurden alle Mitarbeitenden gebeten, in einem Online-Assessment drei Fragen zu beantworten, in denen die Bereiche „persönliche Werte“, Einschätzung der „aktuellen Kultur“ des Unternehmens und der „gewünschten Kultur für optimalen Erfolg“ des Unternehmens abgefragt wurden. Die Umfrage selbst dauert nur 15 Minuten pro Person und kann von jedem internetfähigen Browser aus durchgeführt werden. Eingabe und Auswertung können in unterschiedlichen Sprachen erfolgen, in diesem Fall in Japanisch, Englisch, Deutsch und Türkisch).

Die Ergebnisse des Kultur-Assessments lagen dann unmittelbar vor Beginn der Pandemie vor und offenbarten, dass die Herausforderungen noch weit größer waren als gedacht. Im Vergleich zum Branchenmittel lag hier der Anteil der als Maß für verlorene Energie und Reibungsverluste dienenden „potenziell limitierenden“ Werte in der aktuellen Kultur um ca. 75% höher. In manchen Bereichen setzten sich die 10 am häufigsten genannten Werte zur Beschreibung der „aktuellen Kultur“ sogar ausschließlich aus potenziell limitierenden Werten zusammen! Sehr positiv und hilfreich war allerdings der Umstand, dass die Bewertungen von Führungskräften und Mitarbeitenden in allen drei Fragen (Person / aktuelle Kultur / gewünschte Kultur) hohe Übereinstimmung aufwiesen, es also ähnliche Wahrnehmungen gab. Darauf konnte man aufbauen.

 

Pandemiebedingt aufgeschoben aber nicht aufgehoben

Kulturtransformation unter erschwerten Bedingungen - eine Case-Study

Der an die Werteerhebung anschließend geplante Prozess wurde dann jedoch noch vor seinem Start durch die Pandemie jäh gestoppt. Statt über alle Hierarchieebenen die Ergebnisse zu besprechen und konkrete Maßnahmen zur unmittelbaren Reduzierung der Reibungsverluste zu erarbeiten, wurden zeitnah und eher stichwortartig zunächst ein paar allgemeine Ergebnisse kommuniziert und dann die Herausforderungen der Pandemie angegangen. Das Unternehmen musste für weite Bereiche Kurzarbeit anmelden, Zeitarbeitskräfte wurden abgebaut, Vakanzen nicht nachbesetzt, eine Produktionsschicht entfiel dauerhaft.

Trotz Pandemie gab das Management der Werteentwicklung weiter hohe Priorität

Für viele Unternehmen wäre das der Punkt gewesen, an dem das gesamte Vorhaben dauerhaft in der Versenkung verschwunden wäre. Denn nach derart kritischen Ergebnissen und noch dazu nach einer herausfordernden wirtschaftlichen Phase, von der man noch nicht genau weiß, wann und wie sie enden würde, scheuen sich viele Unternehmensführungen, auch noch in einen Dialog über Werte mit den Mitarbeitenden zu gehen. Dass es auch anders geht, zeigt dieser Fall: Sobald sich im Oktober 2020 die Lage etwas stabilisiert hatte, wurde der beschriebene Prozess erneut aufgegriffen und online fortgesetzt. Und zwar trotz anfänglicher Bedenken hinsichtlich der Akzeptanz und der Wirksamkeit von virtuellen Workshops. Auch die Erarbeitung von Kernwerten für die zukünftige Kultur und die Ableitung eines Führungsleitbildes wurden angegangen. Führungskräfte wurden von uns in interaktiven Online-Workshops darin geschult, mit ihren Teams in einen offenen Dialog über Ergebnisse und Verbesserungsmöglichkeiten zu gehen und konnten sich von der HR-Abteilung bei der Durchführung unterstützen lassen. Dabei genügten für die Führungskräfte-Workshops jeweils gut drei intensive Stunden, um den Führungskräften die Ergebnisse vorzustellen, einen Austausch über konkrete Verbesserungsmaßnahmen anzustoßen und sie auf den Dialog mit ihren eigenen Teams vorzubereiten. Ergebnisse von Barrett Analytics als Gesprächsbasis

Kulturtransformation unter erschwerten Bedingungen - eine Case-Study

Dazu trug maßgeblich die intuitiv verständliche graphische Darstellung der Ergebnisse durch Barrett Analytics bei, die zudem auch bei kritischen Ergebnissen stets das Verbindende betont und damit eine ideale Gesprächsbasis schafft.

Wie immer gab es innerhalb der Workshops wiederkehrende Themen wie zum Beispiel die unterschiedliche kulturelle Vorprägung europäischer und asiatischer Gruppen und daraus resultierende Missverständnisse und Konflikte gerade in schwierigen Situationen mit komplexen technischen Herausforderungen. Entscheidend war jedoch, dass es gelungen ist, auf allen Ebenen die kritischen Themen anzusprechen und anzupacken. Originalzitat eines Teilnehmenden: „Ich hätte nicht gedacht, dass man online eine derart intensive Workshop-Atmosphäre erzeugen kann!“ und später mit Blick auf Workshops in den Teams: „Ich war überrascht, wie konstruktiv und lösungsorientiert auch auf der Arbeitsebene diskutiert wurde. – Die Leute waren wirklich froh, dass ihre Meinung gehört wurde!“

 

Kultur verändert sich durch Taten

Kulturtransformation unter erschwerten Bedingungen - eine Case-Study

Als besonders kritisch stellten sich schnell drei Punkte heraus:

  • unklare Verantwortlichkeiten
  • fehlende Abstimmung insbesondere mit den Produktionsteams
  • sowie ein Führungsverhalten, das als zu direktiv empfunden wurde in der Wahrnehmung der Mitarbeitenden und mehr an Schuld- als an Lösungsfindung interessiert war.

Kulturtransformation heißt, Werten Taten folgen zu lassen.

In diesem Fall bedeutete dies unter anderem:

  • eine konsequente Reorganisation auf Führungsebene, bei der auf klare Verantwortlichkeiten und die Neutralisierung der kulturell bedingten Verständigungsschwierigkeiten zum asiatischen Management geachtet wurde
  • die Einführung von übergreifenden Abstimmungsrunden, in die auch die Arbeitsebenen der Produktion einbezogen werden
  • und kleinere und größere Veränderungen innerhalb vieler Teams, die zu einer insgesamt offeneren und lösungsorientierteren Kommunikation geführt haben.

Sind damit jetzt alle Herausforderungen gelöst? Mit Sicherheit nicht. Aber es wurden wichtige konkrete Schritte getan, um langfristig effektiver und produktiver zusammen zu arbeiten. Schritte, die weit mehr bewirken als nur das gegenseitige Verständnis zu erhöhen und kurzfristig die Arbeitsatmosphäre zu verbessern. Das auf Kundenseite bereits maximal eskalierte Qualitätsthema wurde beispielsweise innerhalb nur eines Jahres gelöst. Die erzielten Fortschritte waren so eindrucksvoll, dass der Auditor das Unternehmen als gelungenes Referenzbeispiel heranzog. Damit war es trotz denkbar schlechter Ausgangslage und widriger Umstände während des Transformationsprozesses über 1,5 Jahre gelungen, die Voraussetzungen zur Bewältigung aktueller und zukünftiger Herausforderungen konkret und markant zu verbessern!

Bleiben Sie gesund und zuversichtlich!

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