
Der Markt ist in rascher Bewegung. Positionen, für die Kandidaten rar sind und für die außerdem auch noch das Thema Persönlichkeit immer wichtiger wird, sind nicht mehr mit den Mitteln aus der "Post & Pray"-Ära zu besetzen. Interessante Kandidaten stellen ihre CVs nicht mehr in Datenbanken und wollen auch über Social Medianicht zugespamt werden. Deshalb sind teilautomatisierte Ansprachen über Social Media der falsche Weg. Das Entscheidende ist ohnehin nicht die Suche des Kandidaten! Die ist eigentlich einfach: es gibt allein in Deutschland 42 Millionen Kandidaten, die regelmäßig wechseln.
Vielmehr ist zunächst die reflektierte, kritische Aufnahme der Vakanz auf Basis der Strategie und Kultur des Unternehmens entscheidend. Entscheidend ist weiter die strukturelle Überlegung, für welche Kandidatenzielgruppe die Vakanz denn die „richtige“ Entwicklung bedeutet. Und entscheidend ist abschließend, ob die in das Recruiting involvierten Personen befähigt sind, Kandidaten persönlich und authentisch anzusprechen und ob sie sich im weiteren Kontakt mit diesen intellektuell zu reiben vermögen.
Wir möchten hier mit kurzen plakativen Statements einen kritischen Blick anregen.
Print-Anzeige:
Beginnen wir mit der guten alten Print-Anzeige. Sie lebt als Imageanzeige, läuft aber als Recruitinginstrument aus. Wer über Print sucht, signalisiert jemand haben zu wollen, dem Print selbst als das richtige Medium zur Jobsuche gilt. Ist eine solche Person die richtige Verstärkung? Ausnahmen: Print im begrenzten regionalen Rahmen für Vakanzen, deren Bewerber nicht Social-Media-affin sind wie etwa erfahrene gewerbliche Mitarbeiter. Immer mehr Unternehmen kommen auf uns als Headhunter mit dem Auftrag zu, neben z.B. dem neuen Entwicklungsleiter auch vier Betriebselektriker oder Werkzeugmacher per Direktansprache am Arbeitsplatz zu finden. Das zeigt, wo überall Unternehmen personell der Schuh drückt. Für diese Zielgruppe ist die lokale Printanzeige und Direct Search tatsächlich der richtige Methodenmix.
Online-Anzeige:
Derzeit wird die Ausdifferenzierung in viele Fachportale als erfolgreicher Zukunftsweg beschrieben. Wir sind hier eher skeptisch. Für leichter besetzbare Positionen (eher kaufmännisch als technisch) funktioniert die Online-Anzeige gelegentlich noch gut, für andere ist sie nur das teure Abfischen der sehr wenigen Prozent an Kandidaten, die gerade von sich aus aktiv über Stichwortsuche exakt diese Ausschreibung suchen. Das heißt: Hierüber realisieren wir immer wieder mal eine Bewerbung, die dann aber gut passt. Unsere Meinung: Online-Anzeigen sind trotzdem zu vernachlässigen.
Meta-Suchmaschinen: (ICJobs, Kimeta, Indeed etc.)
Es genügt hier im Prinzip die Schaltung auf der eigenen Homepage. Aber nur, wenn die Jobs für die Meta-Maschinen auslesbar sind. Oft steht hier die eigene Stellenmarkt-Software (z.B. SAP) selbst im Weg und lässt dies nicht zu.
CV-Datenbanken: (Placement24, STepstone, Monster und Co.)
In der Krise 2009 war die kostenpflichtige Suche und Ansprache hier effektiv, weil sich gekündigte Kandidaten aktiv um neue Positionen bemühten und ihren CV in Datenbanken hochluden. Mittlerweile ist dies unserer Erfahrung nach mit einer Ausnahme, Experteer, jedoch zu vernachlässigen.
Twitter:
Dies sehen wir als Nebenkonzert bei Jobpostings. Wenig Aufwand, wenig Ergebnis.
Facebook:
Das Netzwerk hat sich evtl. endgültig auf die eher private Vernetzung junger Menschen (und ihrer Onkel und Tanten) verengt.
XING:
Dieses Business Netzwerk ist unbestritten der deutschsprachige Marktführer unter den sozialen Netzwerken. Stellenanzeigen führen auch hier unserer Erfahrung nach kaum zu Erfolg. Die Foren sind interessante Plattformen zur fachlichen Diskussion. XING ist eigentlich eine Datenbank für den Ident. Das Besondere an den Business Netzwerken ist, dass sie den Ident vereinfacht haben. Die Ansprache in diesen Netzwerken begann vor der Krise ab etwa 2007 erfolgreich zu werden, weil es noch relativ selten passierte. Weil dies jedoch inflationär passiert, ist die kombinierte Suche UND Ansprache hier halbtot. Siehe dazu im Folgenden.
Active Sourcing:
Der neue Hype-Begriff des „Active Sourcing“ propagiert den Entwicklungsschritt vom alten „Post & Pray“-Zeitalter in die neue Social Media-Welt. Wie allerdings erste Spötter sagen, degeneriert dieser Zugangsweg zu einem „Active Stalking“, da Kandidaten erheblich zurückhaltend reagieren auf die massenhafte und in der Regel unpassende Ansprache und in XING passiv werden. Durch Herabsetzung der Zutrittsschwelle in der Ansprache kann nun jeder Personaler und Personalvermittler Kandidaten anschreiben – der Effekt ist der Rückzug der Kandidaten. Diese Annäherung erfolgt meist nicht differenziert, entbehrt der Vertraulichkeit, wird immer mehr als Spam gesehen. Unserer Meinung nach ist der Zugang deshalb nicht zielführend.
LinkedIn:
Dieses international orientierte Business Netzwerk müht sich in Deutschland redlich und wächst auch. In anderen Ländern (z.B. den Niederlanden) ist es der klare Platzhirsch. Wer in einem internationalen Unternehmen arbeitet, hat die Herausforderung, neben XING auch LinkedIn pflegen zu müssen, was die meisten scheuen und deshalb eines davon nur rudimentär unterhalten. Der Researcher muss also in jedem Fall in beiden Systemen nach Kandidaten suchen.
Ansprache in Business Netzwerken als Scheinlösung:
Überprüft man bei gefragten Expertenpositionen – z.B. „Konstrukteur Automotive mit Spezialkenntnissen“ die verschiedenen Zugangswege ergibt sich folgendes Bild: Von den acht per Cover Story identifizierten Kandidaten einer Abteilung eines bestimmten Unternehmens sind nur drei in Social Media Netzwerken auffindbar (mit Ausnahme von Facebook - da sind sie privat alle in Freizeitkleidung und mit Nickname). Über diese Netzwerke ergibt sich also immer nur eine Teilmenge der Zielkandidaten.
Semantische Suche: (Z.B. Truffls)
Das angebliche Matching-Allheilmittel der Zukunft. Hier werden semantisch vergleichbare Begriffe und ein lernender Algorithmus verwendet. Die erste Schwierigkeit ist, dass ich Personen benötige, die sich auf meine Vakanz hin entwickeln wollen – z.B. als Ingenieur aus dem Produktmarketing zurück in das R&D. Eigentlich aber benötige ich eine Person mit bestimmten Persönlichkeitsskills. Es gibt erste Softwareangebote, die aus dem Agieren in Social Media diagnostisch ein Persönlichkeitsprofil entwerfen – angeblich. Das Problem beginnt aber früher und zwar in der Definition der Frage, welches Persönlichkeitsprofil denn tatsächlich weiter hilft: die zur Führungskraft passende oder die teils entgegen gerichtete Persönlichkeit? Wie soll sie auf das Team bezogen sein? Wie auf zukünftig geplante Änderungen im Team? Wie auf die aktuelle Aufgabe und die divergente Aufgabe im kommenden Jahr bezogen? Usw. Wer geht hier nun in die Consulting-Rolle mit Fachbereich und HR, um das richtige Suchprofil zu definieren? Kein Algorithmus der Welt ersetzt das Sparring und Nachdenken.
Charaktercheck per Onlinecheck: (z.B. durch Systeme wie „youarewhatyoulike“)
Hier wird das komplette Facebookprofil per Algorithmus ausgewertet mit dem Ergebnis einer Einschätzung der Persönlichkeit des Kandidaten. Dies sei valider als das Kandidatengespräch, in welchem sich Kandidaten dem Phänomen der „sozialen Erwünschtheit“ folgend gezielt und damit verfälscht verhalten würden. Diese Aussage ist allein schon deshalb naiv, weil es noch viel leichter ist, über ein gezielt eingekauftes Likes-Paket über Nacht ein bestimmtes und von der Software auch noch „geprüftes“ Charakterprofil zu verschaffen. Wieder einmal soll Software verkauft werden - ohne Rücksicht auf echte Problemlösung.
Headhunting und (echte) Direktansprache:
Tatsächlich erlebt das echte Headhunting eine Renaissance. Web 2.0 und Social Media sind eine Unterstützung des Idents. Die Ansprache erfolgt jedoch tunlichst über Telefon. Durch diese erhöhte Zutrittsschwelle ergibt sich eine völlig andere Aufmerksamkeit beim Kandidaten. Nur auf diesem Weg wird die Vakanz zielgerichtet vermarktet und ein individueller, persönlicher Kommunikationsprozess errichtet.
(06.2014)