Käpt´n Blaubärs Seemansgarn: "Es gibt keine Bewerber mehr!"

Käpt´n Blaubärs Seemansgarn: "Es gibt keine Bewerber mehr!"

Seit einigen Jahren ist aus vielen Unternehmen in Deutschland ein anschwellendes Lamento zu hören: „Es gibt keine Bewerber, wir finden niemanden!“
Haben wir richtig gehört? Es gibt keine Bewerber mehr, keine potentiellen Mitarbeiter, keine Experten, keine Leistungsträger? Da sind wir perplex. Uns selbst ist das noch gar nicht aufgefallen. Wo sind denn die Bewerber hin? Weggegangen, im Urlaub oder wie das Wasser bei Ebbe einfach weggeflossen?
Tatsächlich wird gelegentlich suggeriert, es gäbe ein kleiner gewordenes Potential an Arbeitskräften im Markt. Wenn man die Zahlen betrachtet, hat sich die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland seit 2006 jedoch von 39 Millionen auf derzeit 42,9 Millionen markant erhöht. Das sind 4 Millionen oder 10% Erwerbstätige mehr als noch 2006.

Hohes jährliches Wechselpotential

Die durchschnittliche Beschäftigungsdauer bei einem Arbeitgeber liegt in Deutschland konstant bei 10 Jahren. Das heißt, jeder Beschäftigte wechselt in 40 Jahren Berufstätigkeit durchschnittlich vier Mal den Arbeitgeber. In 2006 wechselten demnach also statistisch 3,9 Millionen den Arbeitgeber, und in 2015 werden es sogar 4,3 Millionen Beschäftigte sein. Diesen stehen zugegebenermaßen deutlich mehr offene Stellen gegenüber.

Bewerbermarkt als Verdrängungsmarkt

Kann man also von „fehlenden Bewerbern“ sprechen, wenn jährlich über 4 Millionen Erwerbstätige den Arbeitgeber wechseln? Die Wahrheit liegt wo anders. Der Arbeitsmarkt hat sich gedreht, es ist ein Verdrängungsmarkt geworden. Die Relation zwischen der Zahl der offenen Jobs und der Zahl der Jobsuchenden hat sich verschoben. Früher gab es für die verfügbare Zahl von Bewerbern zu wenige Jobs. Jetzt ist es umgekehrt, es gibt mehr Jobs als Bewerber.

Unternehmenskultur gewinnt

Der Bewerbermarkt war also ein bequemer Verteilungsmarkt, jetzt ist es ein umkämpfter Verdrängungsmarkt. Früher hat man seine offene Vakanz auf den Markt getragen, und die Bewerber (= Käufer) standen Schlange. Jetzt müssen Unternehmen ihre Vakanz in einem gesättigten Markt verkaufen.
Das sind die Fakten. Aber diese Ausgangslage stellt kein unüberwindbares Hindernis dar! Das bessere Produkt gewinnt. Gute Unternehmenskultur schlägt schlechte. Nichts anderes kennen Unternehmen bereits dort, wo sie ihre Produkte verkaufen, auf der Marktseite. Schon lange sind die Märkte in Europa eher Verdrängungsmärkte. Hier werden im harten Wettbewerb innovative Produkte mit präzisen Nutzenargumenten sorgsam definierten Zielgruppen angeboten. Guter Service, Kundennähe, ein gutes Produkt zu einem passenden Preis sind wichtige Erfolgsfaktoren. Wer das beherrscht, ist erfolgreich, die anderen gehen unter.

Das falsche Mindset der Personalbeschaffung

Es haben sich also die Bedingungen zwischen Angebot und Nachfrage verändert und Kandidaten gibt es nach wie vor. Wie reagieren Unternehmen auf die Bedingungen? Sie optimieren die Personalbeschaffung als Einkaufsprozess. Ist Recruiting aber eigentlich eher ein Einkaufsprozess oder ein Vertriebsprozess? Das erscheint uns als eigentliche Gretchenfrage!
Wo liegt der zentrale Unterschied? Im Einkaufsprozess verbleibt die Entscheidung auf der Unternehmensseite, im Vertriebsprozess dagegen beim Käufer!

Recruiting als Vertriebsaufgabe

Wir glauben, dass es ehrlicher und zielführender ist, modernes Recruiting als Vertriebsprozess zu definieren. Unternehmen vertreiben die Möglichkeit der Teilnahme an einer sinnstiftenden Betätigung zusammen mit Gleichgesinnten innerhalb ihrer Organisation. Das Unternehmen vertreibt im Recruiting sein Produkt „Sinnstiftende Aufgabe“ und organisiert diese als zielorientiertes Zusammenwirken vieler Mitarbeiter. Innovatives Recruiting sollte also weniger Beschaffung und eher ein zielgruppenspezifischer Vertriebsprozess sein!
Im Verdrängungsmarkt müssen Unternehmen lernen, Ihre Jobs wie im Vertrieb zu verkaufen. Dazu genügt nicht der Unternehmensbrand, sondern das Produkt (der Job) muss zu einer bestimmten Zielgruppe optimal passen. Jede Vakanz muss individuell vertrieben werden! Unternehmen müssen die Sinnhaftigkeit der Aufgabe für die ins Auge genommene Zielgruppe herausarbeiten. Sie müssen den sich mit der einzelnen Aufgabe bietenden Nutzen gezielt an den passenden Kandidaten adressieren.

So macht es der Headhunter

Als Headhunter stehen wir vor der anspruchsvollen, aber lösbaren Aufgabe, den perfekten Kandidaten für den Kunden zu finden. Das liegt zu einem Teil an den innovativen Methoden und Strategien, die wir einsetzen. Und natürlich suchen wir auch in dem 10-fach größeren Pool aller 43 Millionen Erwerbstätigen. Der Haupthebel jedoch, um Kandidaten für einen Wechsel zu interessieren, ist die Kultur des Unternehmens und die Attraktivität der Vakanz für eine bestimmte Zielgruppe.
Wir sind moderne Verkäufer. Wir identifizieren - wie Marketing und Vertrieb - den USP des Produkts (Vakanz + Unternehmen) und suchen mit allen zur Verfügung stehenden analytischen Methoden die dafür passende „Käuferzielgruppe“. Das ist Verkauf im Verdrängungsmarkt.

Zukünftige Aufgabenverteilung im Recruiting

Das Problem sind also nicht die fehlenden Bewerber, sondern die fehlende Verkaufsstrategie der Unternehmen. Das gilt für alle Kandidatenzielgruppen.
Mit modernem Employer Branding und Hochschulmarketing können gute Unternehmenskulturen bei der homogenen Gruppe der Berufseinsteiger punkten. Für die individualisierten Profile berufserfahrener Experten werden in Zukunft glaubwürdige „Searchdienstleister“ (und keine Matchingtechnologie) zuständig sein. Unternehmen können dies aus verschiedenen Gründen immer weniger selbst leisten. Da es nicht mehr um ein „Verteilen“ sondern um „Verkaufen“ geht, sind im modernen „Active Selling“ mehr Ressourcen und andere Skills und Methoden notwendig. Und tragisch wäre es, wenn Unternehmen neue Ressourcen im Recruiting hochfahren, anstatt in strategieorientierte Personalentwicklung und Mitarbeiterbindung zu investieren. Denn dort liegen aus unserer Sicht die zukünftigen wichtigsten Inhouse-Aufgaben des Personalwesens.

Quellen: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit und Statistisches Bundesamt

Mehr über erfolgreiche Methoden:
Die 4 Hebel für erfolgreiches Recruiting

(08.2015)

 

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