Leider sehen Unternehmen Positionen allzuhäufig in tayloristischer Tradition als abgegrenzte Aufgabe in einem arbeitsteiligen System. Es ist für das Management offenbar unglaublich praktisch mit diesem Modell zu arbeiten, weil es Komplexität aus dem System nimmt. Im einfachsten Fall hat man eine abgrenzbare Aufgabe vor Augen, die erledigt werden muss.
Aber dieser Recruiting-Ansatz passt nicht zu der Komplexität vernetzter Systeme, die Unternehmen zweifelsohne darstellen. Und diese Sichtweise begrenzt auch unnötigerweise im Vorhinein schon den Gestaltungsspielraum, den sich die nachwachsenden Generationen wünschen. Nicht zuletzt handelt sich die Führungskraft durch schlechtes Recruiting Folgeprobleme ein, die die Führung des Teams und das Erreichen von Zielen unnötig erschweren oder sogar verhindern. Professionelles Recruiting muss sich an der Unternehmensstrategie orientieren und darf sich nicht mit billigen Lösungen zufrieden geben!
Wir nennen hier drei beispielhafte Fehlerquellen, die wir als Personalberater häufig beobachten und die es systematisch zu vermeiden gilt.
Der Kandidat ist für die Aufgabe überqualifiziert. Der Manager möchte mit seiner Abteilung innerhalb der Firma ein sehr gutes Bild abgeben. Er möchte sich möglichst wenig Arbeit machen und sofort auf eine 110%-Lösung setzen. Das Budget ist freigegeben und es ist nicht sein eigenes Geld. Daraus folgt die Tendenz zu überqualifizierten Mitarbeitern und statt der Aufgabe steht die entsprechende Vergütung im Fokus.
Das resultierende Problem: Das Unternehmen zahlt für die definierte Aufgabe zu viel Geld und kann das Potential des Mitarbeiters nicht richtig nutzen. Der Mitarbeiter langweilt sich schnell und verlässt bald frustriert das Unternehmen. Die Führungskraft steht wieder am Anfang.
Dem Kandidat fehlt die intrinsische Begeisterung für das Thema. Bei der Auswahl des Kandidaten wurde zu wenig Augenmerk auf die Motivation und die Leistungsbereitschaft des Kandidaten gelegt. Die Wechselmotivation wurde nicht gemeinsam mit dem Kandidaten kritisch hinterfragt und durchleuchtet. Es wurde zu oberflächlich eine Liste von Fachbegriffen abgehakt.
Das resultierende Problem: Der Mitarbeiter bringt keine oder eine zu geringe Initiative mit. Er denkt nicht über den Tellerrand, zieht keine Inspiration aus fachfremden Zusammenhängen, ist ohne Ehrgeiz. Ihm fehlt der Sinn für den höheren Wert der Sache. Die Führungskraft muss dauernd von sich aus eigener Energie in das System pumpen. Das Team pusht sich nicht selbst zur Weiterentwicklung und vorhandene Leistungsträger werden eventuell sogar entmutigt.
Der Kandidat passt nicht in die Unternehmenskultur. Bei der Auswahl eines Mitarbeiters wird zu sehr auf die fachlichen Fähigkeiten geachtet. Kein Mensch bewältigt heute eine Arbeit alleine. Projekte kommen nur voran, wenn man es sehr gut beherrscht, Wissen mit anderen zu teilen und sich effizient abzustimmen, um in dieselbe Richtung zu arbeiten. Dazu gehört die Etablierung der richtigen Stimmung innerhalb des Teams und die hohe Befähigung, sich im Unternehmenssystem und mit Märkten, Kunden und zuliefernden Partnern schnell zu vernetzen. Dazu gehört auch, dass man wesentliche Werte und Einstellungen teilt.
Das resultierende Problem: Das Team oder der Bereich arbeitet ineffizient; statt Lösungen stehen eher Probleme im Fokus. Die Führungskraft muss sich ständig um Spannungen innerhalb des Systems kümmern. Ziele und Einstellungen müssen nicht nur einmal sondern permanent erinnert werden.
In Wissensgesellschaften basiert ein sehr großer Anteil der Wertschöpfung auf der Mitwirkung der Menschen. Deutschland ist ein Land mit großer Ingenieurbegeisterung. Deswegen steht die technische Kompetenz des Einzelnen und oftmals nicht die nur aus der Gruppe heraus zu ermöglichende technische Innovationen im Vordergrund.
Zeit für ein neues Paradigma: Gutes Recruiting als Beleg für gute Führung
Die wirklich smarte Führungskraft wusste schon immer, dass sie nur so stark ist wie das Team, welches sie führt. Die besten Führungskräfte beteiligen sich aktiv bei der Suche nach Mitarbeitern, die die Schwächen des Teams kompensieren und zusätzlich spezifische Soft Skills oder spezifisches Wissen in die Gruppe bringen. Um die besten Mitarbeiter zu gewinnen, müssen die Aufgaben sinnstiftend, anspruchsvoll und anregend gestaltet werden.
In Anbetracht der demografischen Herausforderungen in Deutschland und des unausweichlichen globalen Wettbewerbs ist es Zeit für einen Paradigmenwechsel: Die Personalfunktion wird zukünftig maßgeblich über die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen entscheiden und kann in ihrem Stellenwert nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Wer zukünftig in der Championsleague spielen möchte, darf sich nicht mit einem Recruiting zufrieden geben, das ohne Systematik und hinreichende Ressourcen agiert und nur kurzfristig Löcher stopft. Langfristig kann nur der gewinnen, der den Recruitingprozess als Teil der Unternehmensstrategie methodisch professionalisiert und auf dieser Basis eine effiziente und sorgfältige Zusammenarbeit von Fachbereich und HR etabliert. Damit schafft man eine wettbewerbsfähige, identitätsstiftende Unternehmenskultur.
Eine gute Führungskraft erkennt man deshalb auch an ihrem Beitrag zu einem anspruchsvollen Recruiting. HR-Manager müssen diesem Anspruch mit klugen Lösungen und starken Partner gerecht werden.
Weitere Artikel zum Thema: