
Wenn eine wichtige Position im Unternehmen vakant wird, ist die richtige Nachbesetzung für die weitere Wettbewerbsfähigkeit erfolgskritisch. Dies gilt sowohl für eine wichtige Führungsaufgabe als auch für spezielle Expertenrollen. Für die passende Nachbesetzung gibt es verschiedene Möglichkeiten. Ein immer wieder genutzter Weg ist der über Engineering-Dienstleister. Dieser Weg ist jedoch problematisch. Der Versuch von Nachbesetzungen auf diese Weise misslingt leicht, weil kritische Kontextbedingungen entweder überhaupt nicht oder nur peripher beachtet werden. Warum das so ist, lesen Sie im folgenden Beispiel.
Das Praxisbeispiel:
Ein kleinerer Spezialanbieter für Automotive mit 100 Mitarbeitern suchte einen technischen Chemiker als Teamleiter für die Entwicklung, nachdem der bisherige Stelleninhaber in Rente gegangen war. Die Hauptaufgabe war es, mit sieben Mitarbeitern neue Produkte zu entwickeln. Insbesondere sollte der Austausch der bisherigen anorganischen Rohstoffe durch organische vorangetrieben werden. Der Versuch, die Position über einen Engineering-Dienstleister zu besetzen, war im Vorfeld bereits dreimal (!) gescheitert.
Im 360°-Briefinggespräch mit dem Kunden wurde deutlich, dass es neben der Führungsaufgabe als Leiter F&E auch darauf ankam, zusammen mit dem technischen Verkaufsleiter vor Ort beim Kunden in der Beratung zu überzeugen. Das Unternehmen hatte sich aus kaufmännischen Gründen aus der Großserienbelieferung zurückgezogen und sich als Spezialanbieter auf individuelle Kundenprojekte mit besserer Marge konzentriert. Deshalb war es erfolgskritisch, die F&E-Position mit einer Person zu besetzen, die einerseits in der sehr speziellen fachlichen Aufgabe versiert war, aber andererseits auch Interesse und die persönlichen Voraussetzungen für die individuelle Kundenberatung hat. Weil dieser Aspekt nicht berücksichtigt wurde, war die Besetzung bisher schon mehrfach gescheitert.
Wir konzentrierten uns im Targeting auf Unternehmen, bei denen wir aufgrund der Größe und Struktur Menschen vermuteten, die die gewünschten Merkmale "kommunikative Kompetenz" und "Interesse an Kundenprojekten" hatten, aber keine Möglichkeit, dies in der derzeitigen Position zu praktizieren. Innerhalb kurzer Zeit fanden wir bei einem Wettbewerber exakt die passende Zielperson. Beim aktuellen Arbeitgeber war es ihr vom unmittelbaren Vorgesetzten aus nicht gestattet, mit Kunden zu kommunizieren. Der Vorgesetzte wollte alle Fäden selbst in der Hand behalten. Der Wechsel musste also nur angestoßen werden und war erfolgreich.
Schlussfolgerung:
Aus unserer Sicht sind Engineering-Dienstleister mit Fokus auf die fachlichen Kompetenzen gut für temporäre Projekte.
Für dauerhafte Positionen oder für Positionen mit wichtigen Schnittstellen-Aufgaben jedoch darf der fachliche „fit“ nicht einseitig im Vordergrund stehen. Diese Dienstleister boten aus ihrem begrenzten Kandidaten-Portfolio an, anstatt konsequent aus der Kundenaufgabe heraus die Suche für die richtige Lösung aufzusetzen.
Im vorliegenden Auftrag mussten vor allem auch der „cultural fit“ und die Kompetenz, Kunden in deren Problematik zu beraten, damit sie beim Unternehmen kaufen, berücksichtigt werden.
(Johannes Terhalle - 10.2013)