Führen in der Krise: Was wir aus der Katastrophenforschung für Teamführung lernen können

Führen in der Krise: Was wir aus der Katastrophenforschung für Teamführung lernen können

In einer Zeit, in der Unternehmen sich in einem permanenten Wandel befinden, sind Führungskräfte mehr denn je gefordert. Volatile Märkte, multiple Krisen, fehlende Planbarkeit – all das verlangt nicht nur Anpassungsfähigkeit, sondern ein tiefes Verständnis von Teamdynamik. Doch wie führt man Teams durch schwierige Zeiten? Welche Rolle spielt Kommunikation? Und was können wir aus der Katastrophenforschung lernen? Antworten auf diese Fragen lieferte ein außergewöhnlicher Workshop mit HR-Führungskräften.

Vom Überlebenskampf zur Führungslektion: Die Donner-Pass-Katastrophe

Den Einstieg bildete ein Impulsvortrag über die historische Donner-Pass-Katastrophe (1846–1847). Eine Gruppe von Siedlern war im US-amerikanischen Hochgebirge eingeschneit – ein dramatisches Kapitel der Pioniergeschichte. Das zentrale Ergebnis der Analyse: Je größer die Gruppe, desto höher die Überlebenswahrscheinlichkeit. Einzelkämpfer hatten kaum eine Chance. Diese Erkenntnis birgt eine kraftvolle Lehre für die Führungspraxis: In Krisen zählt die Gemeinschaft – nicht das individuelle Ego.

Was ist eine Gemeinschaft? – Drei zentrale Prinzipien

Auf Grundlage der Katastrophenforschung wurden im Workshop drei wesentliche Merkmale einer starken Gemeinschaft identifiziert – übertragbar auf jedes moderne Unternehmen:

  1. Gemeinsames Ziel und verabredeter Weg
    Nur wenn alle dasselbe Ziel kennen und sich auf einen Weg dorthin geeinigt haben, entsteht Orientierung. Teams benötigen klare Visionen und gemeinsame strategische Konzepte – man könnte sagen: geliebte geistige Kinder.
  2. Besonderes Vertrauensniveau und Verantwortung
    Vertrauen ist kein Bonus, sondern Grundvoraussetzung. Es entsteht durch offene Kommunikation, Transparenz und geteilte Verantwortung. Führungskräfte sind hier Vorbilder: Sie entscheiden nicht nur, was kommuniziert wird, sondern auch wann und wie offen.
  3. Das schützenswerte gemeinsame Gut
    Gemeinschaft bedeutet auch, sich gegenseitig zu helfen – spontan, selbstlos, ohne politische Agenda. In starken Teams helfen alle allen – und lassen sich auch helfen. Dieses Prinzip der gelebten Solidarität ist in Zeiten multipler Krisen von unschätzbarem Wert.
Führen in der Krise: Was wir aus der Katastrophenforschung für Teamführung lernen können

Die Rolle der Führung in der Krise

Gute Führung bedeutet in der Krise nicht, alles zu kontrollieren – sondern mit minimalen Verlusten durch maximale Komplexität zu navigieren. Das setzt voraus, dass Führungskräfte:

  • ein gemeinsames Zielbild stiften
  • sich selbst als Teil der Gruppe verstehen
  • und nicht zuletzt: Vertrauen schaffen, indem sie offen kommunizieren und Verantwortung teilen.

Vertrauen entsteht dabei durch gemeinsame Erfahrungen und Verlässlichkeit, nicht durch reine Zielerreichung. Führungskräfte müssen nahbar, greifbar und authentisch sein.

Kommunikation in der Krise: Früh, offen, ehrlich

Ein zentrales Thema des Workshops war die Frage: Wer informiert wann wen – und warum? Die klare Empfehlung: Keine selektive Kommunikation zur internen Politik. Vertrauen basiert auf Offenheit. Informationen dürfen nicht als Machtinstrument eingesetzt werden, sondern als Brücke zur gemeinsamen Entscheidung.

Transparenz stärkt Teams. Denn in einem Umfeld, in dem Planbarkeit abnimmt und Ziele sich dynamisch verschieben („moving targets“), ist Vertrauen das neue Kapital.

Koalitionen, die verbinden – nicht spalten

Ein weiteres Learning: Interne Koalitionen müssen sich am Ziel ausrichten – nicht an persönlicher Profilierung. Das bedeutet auch: Vernetzung über Bereichsgrenzen hinweg. Wer die richtigen Allianzen zur Zielerreichung bildet, schafft unternehmensweite Agilität. Gerade in der Krise gilt: Die besten Teams sind fluide – sie formieren sich neu, je nach Herausforderung.

Selbstlosigkeit als Stärke

Eine besonders intensive Diskussion drehte sich um die Frage: Wie hoch darf das Maß an Selbstlosigkeit sein?
Die überraschende Antwort: Selbst das kleinste Maß ist pure Stärke. Wer bereit ist, sich selbst zugunsten des Teams zurückzunehmen, erzeugt eine Dynamik, die nicht erzwungen werden kann. Solche Teams sind resilient – sie halten auch extremem Druck stand.

Teambuilding als Grundlage für Vertrauen

Alle Workshop-Teilnehmenden waren sich einig: Klassische Teambuilding-Maßnahmen bleiben wichtig. Denn Vertrauen entsteht nicht allein durch Struktur oder Prozesse, sondern durch gemeinsame Erlebnisse und persönliche Bindung. Führungskräfte sollten gezielt Räume schaffen, in denen sich Teams kennenlernen und ein gemeinsames Verständnis für Zielbilder entwickeln können.

Fazit: Ohne Gemeinschaft keine Resilienz

Die Katastrophenforschung lehrt uns: In der Krise zählt nicht der Einzelne, sondern das WIR. Für Unternehmen bedeutet das: Es braucht eine neue Führungskultur, die auf Gemeinschaft, Vertrauen, Verantwortung und Transparenz setzt. Führungskräfte sind dabei nicht nur Entscheider, sondern vor allem Sinnstifter – sie gestalten das gemeinsame Ziel, den Weg dorthin und das Miteinander auf Augenhöhe.

Wer Teams in schwierigen Zeiten erfolgreich führen will, sollte sich weniger an Management-Handbüchern und mehr an menschlicher Erfahrung orientieren – ob aus der Geschichte oder aus gelebter Praxis. Denn das stärkere System setzt sich durch – und das ist fast immer das Team.

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