So verlief der bisherige Jobeinstieg für Berufseinsteiger
„Wo soll ich mich bewerben?“ Diese klassische Frage wurde und wird in der Regel ohne allzu Überlegung beantwortet. Vor Corona lockten teils auch sehr vordergründige oder nur behauptete Attraktionen vom Kicker, dem angeblich guten Betriebsklima bis hin zur guten Bezahlung Kandidaten ins Unternehmen. Kandidaten überprüfen diese Kriterien wenig und verfügen auch über wenig Vergleichserfahrungen, in der Regel nur über die Erlebnisse aus den parallel verlaufenden Bewerbungsprozessen. Das Ergebnis ist eine fatale Mischung aus Zufall und kurzfristiger Planung.
Niemand sprach über die wirklich wichtigen Fragen und Ziele, das wird sich ändern
Wer ein Haus baut, stellt eine langfristige Planung auf. Diese geht über die Finanzierung hinaus und entwirft ein Szenario der kurz- und der langfristigen Funktionen des Hauses über eine vieljährige Zeitetappe. „Wie viele Kinder sollen oder könnten es werden? Wie leben wir als Paar? Wie können wir den Zuschnitt der Lebensbereiche für die speziellen persönlichen Interessen wie Wohnen, Arbeiten, Kochen und Essen kombinieren? Welche Hobbies haben wir und welche energetische und bautechnische Durchführung benötigen wir?“ Die Liste ließe sich beliebig erweitern. Wer ein Haus baut, stellt hierfür engagierte individuelle Überlegungen an und plant langfristig. Wer allerdings einen (neuen) Job sucht, geht oft nicht so vor. Zufall, fehlende Systematik und unpräzise Zielsetzungen sind hier häufig anzutreffen.
Deutschland als Land der Regionen und der regionalen Chancen
Deutschland ist nicht nur ein föderal organisiertes Land, sondern auch ein Land der Regionen. Es gibt in Deutschland etwa 80 Großstädte (über 100.000 Einwohner) und etwa 600 mittelgroße Städte in Metropolregionen und im ländlichen Raum mit 20.000-99.000 gemeldeten Personen. In diesen vielen kleineren Zentren gibt es höchst interessante Unternehmen, die als potenzielle Arbeitgeber in Frage kommen. Die Lebenskosten in den Großstädten wurden bislang viel zu wenig mit den Möglichkeiten der Region gegengerechnet. Jobsuchende nutzen auch kaum Instrumente, um sich hier besser zu orientieren. B2C-Unternehmen sind außerdem wegen des Markennamens oft bekannt, obwohl sie es nicht immer verdienen, während die vielen regionalen B2B-Unternehmen oft unbekannt sind, obwohl milliardenschwer, inhaber- und nicht Private Equity-geprägt, international, marktführend und keineswegs provinziell.
Corona und die voraussichtliche Neubewertungen
Corona wird hier nun voraussichtlich Bewegung hineinbringen. Purpose-Denken statt Konsum und Gesundheit statt Nähe zum Flughafen für den Wochenendtrip werden attraktiver. Zukunftsszenarien entwerfen ein klares Bild: Etwa 1/3 der Arbeitenden werden Projektarbeitende in wechselnden (Projekt-)Unternehmen sein. Die anderen Unternehmen werden zu Caring-Companies - zu Unternehmen, die sich noch umfassender und ganzheitlich um ihre Leute kümmern und diesen breiten Angebote offerieren.
Die regionalen Hidden Champions und die Wiederentdeckung der Region
Die regionalen Hidden Champions werden sich noch mehr und umfassender als früher um Talente bemühen müssen. Sie packen dann endlich ihre großartigen Argumente aus, warum es sich bei ihnen gut arbeiten und leben lässt! Durch Home-Office-Erfahrungen aufgrund der Pandemie wird der Wohnradius von Mitarbeitenden um die Metropolen größer werden. Die Leute wollen nicht mehr jeden Tag ins Büro in die Metropole fahren und die Unternehmen nötigen Sie dazu auch nicht mehr. Es wird viele hybride Lösungen geben. Damit erodiert jedoch auch der bisherige feste Kontakt zur Metropole. Wohnen im Grünen wird möglich und erlebbar und damit erfolgt vermutlich auch eine neue Wahrnehmung der regional sitzenden Champions.
Die neuen Lebensinhalte
Kandidat:innen werden sich in Zukunft stärker fragen: interessiert sie Oper und Großstadt-Szenekultur oder genügt dies als gelegentliche Dosis. Vielleicht sind angesagte Outdoorsportarten und Gesundheit des Lebensstils wichtiger und regional besser lösbar? Vielleicht ist es dann auch inhaltlich und finanziell interessanter, in der Region und nicht in der Großstadt oder in ihrem Speckgürtel zu leben. „Will ich den Job für zwei + die Familie + das soziale Umfeld im Einklang haben, ohne ständig um diese Balance zu kämpfen und dies in der Großstadt dann eher doch nicht zu packen?“ Autonomes Fahren wird Mobilität einfacher möglich machen und davon wird die Region sehr profitieren.
Fragen wie diese werden stärker ins Zentrum rücken. Und auch hier punkten regionale Hidden Champions. „Sind mir Gestaltungsmöglichkeiten im Job, ein persönliches Jobumfeld und Kriterien wie Orientierung an den Mitarbeitenden, Fairness, Geradlinigkeit und Glaubwürdigkeit von Bedeutung?“ Hier haben mittelständische Unternehmen im regionalen Umfeld gute Karten. Ob sie auch weltoffen, international und wettbewerbsstark sind, lässt sich anhand der Umsatzverteilung national / international leicht überprüfen. Wer auch in diesen Kriterien punktet, punktet auch in Hinsicht auf die Arbeitsplatzattraktivität und muss sich weder vor DAX-Unternehmen, noch vor dem besseren Image von Unternehmen in den angesagten Großstädten fürchten.
Dazu kommen noch viel konsequenter ausgelegte familiengerechte Arbeitszeiten, günstiges Bauland, bzw. vom Unternehmen organisiertes familiengerechtes Wohnen inklusive der Integration der Elterngeneration, ein intaktes Umfeld und eine natürliche Lebensumgebung – was nicht heißen muss, dass der Misthaufen wortwörtlich um die Ecke liegt.
Auswirkungen auf die Berufseinsteiger
Deshalb gilt ab 2021 – wenn die Panik der Pandemie abflaut – für den Jobeinstieg und auch für die berufserfahrenen jungen Paare die Aufgabe, sich eine langfristigere Lebensplanung auszudenken. Die Zufälle kommen ohnehin. Aber ein bisschen mehr Klarheit zum Jobstart, wie das eigene Leben gestaltet sein sollte, würde helfen.
Und was hat bei den berufserfahrenen 35-Jährigen bereits begonnen?
Der Personalvorstand eines großen Unternehmens in einer Metropole berichtete uns, dass das Unternehmen seit kurzem immer deutlicher Abgänge der Top-Kräfte mit 10 Jahren Kompetenz und Erfahrung registriert. Diese ziehen dann in eine der Heimatgegenden der beiden Partner. Was ist der Auslöser? Es ist oft das zweite Kind und der damit verbundene Wechselwunsch aus der Wohnung in ein Wohnen mit Garten. Dann wird die Metropole uninteressant und die Heimatregion mit anderen Augen gesehen. Und aufgrund der Demographie wird es für BEIDE Ehepartner gut möglich sein, dort inhaltlich passende Jobs zu finden.
Johannes Terhalle (10.2020)